Sorgerecht auf Probe wird nur selten genutzt
„Phase gemeinsamer elterlicher Verantwortung“sollte Streit ums Kind entschärfen
Wien – Seit Inkrafttreten der Familienrechtsnovelle 2013 kann für ein uneheliches Kind von einem Gericht auch gegen den Willen eines Elternteils die gemeinsame Obsorge ausgesprochen werden. Laut dem am Freitag veröffentlichten Rechnungshofbericht über die Familiengerichtsbarkeit von 2013 bis 2015 geschah das – wie berichtet – jährlich bundesweit in durchschnittlich 530 Fällen mit 690 betroffenen Kindern.
Derlei Fälle sind meist von tiefen und belastenden Konflikten geprägt, weshalb das Gesetz eine Art Probezeit ermöglicht: die „Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung“. Für sechs Monate, und wenn erforderlich länger, kann das Gericht die Betreuung des Nachwuchses trotz angestrebten Beschlusses der gemeinsamen Obsorge einem Elternteil überantworten. Der andere erhält Kontaktrechte. Im Anschluss wird über die Obsorge endgültig entschieden.
Doch dieses Instrument wird äußerst zögernd angenommen. Laut dem Rechnungshofbericht sprechen die Gerichte nur selten eine solche Probezeit aus – und noch dazu seit 2013 in immer weniger Fällen: 163-mal im Jahr 2013, 128-mal im Jahr 2014, 62mal im Jahr 2015.
Dabei, so der Bericht, sei die „Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung zur Erzielung einer tragfähigen endgültigen Lösung durchaus zweckmäßig“. Im Frauenministerium, von wo die Forderung nach besagter Probephase vor der Novelle unter anderem gekommen war, teilt man diese Ansicht. In 57 Prozent der von Rechnungshof erfassten Fälle habe die vorläufige elterliche Verantwortung „letztendlich zu einer einvernehmlichen Lösung geführt“, heißt es in einer Stellungnahme des Frauenministeriums an den Standard.
Konkret konnte in acht von 14 Konfliktfällen in den vom Rechnungshof unter die Lupe genommenen Bezirksgerichten Innsbruck, Villach und Wien-Fünfhaus eine Einigung auf gemeinsame Obsorge erzielt werden. In zwei Fällen (14,3 Prozent) wurde die gemeinsame Obsorge gegen den Willen der Mutter, in einem Fall (7,1 Prozent) gegen den Willen des Vaters ausgesprochen. In drei Fällen (21,4 Prozent) kam die Obsorge allein der Mutter zu.
Gefahr weiterer Zuspitzungen
Das Justizministerium will das Thema der Probephase mit den Gerichten nun verstärkt ansprechen, das Frauenministerium empfiehlt, „die Gesetze zu adaptieren“. Die Probephase prolongiere die gerichtsanhängigen Konflikte, meint hingegen die Wiener Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits: „In solchen schwer strittigen Fällen führt das vielfach zu weiteren Zuspitzungen.“