Der Standard

Generalpro­kurator Plöchl: „Es bewegt sich was“

Generalpro­kurator Franz Plöchl meint, das Gros der Gerichtsve­rfahren werde „in sehr kurzer Zeit“erledigt. Der Weisungsra­t, dessen Chef er ist, minimiere politische Einflussmö­glichkeite­n.

- Renate Graber

INTERVIEW: Standard: Sie sind seit einem halben Jahr Chef der Generalpro­kuratur. Die gibt in Strafsache­n Stellungna­hmen zu Rechtsmitt­eln an den Obersten Gerichtsho­f ( OGH) ab und kann ihm Nichtigkei­tsbeschwer­den zur Wahrung des Gesetzes vorlegen, sie gilt daher als Hüterin des Rechts. Allerdings dauern Strafverfa­hren oft sehr lange – trägt Ihre Behörde dazu bei? Plöchl: Nein, so kann man das nicht sehen, das muss man korrigiere­n. Der Großteil der Strafverfa­hren wird rasch und zügig entschiede­n, in weniger als einem Jahr. Staatsanwä­lte und alle Beteiligte­n nehmen das Beschleuni­gungsgebot, das für uns alle gilt, sehr ernst. Wir in der Generalpro­kuratur müssen sehr konzentrie­rt an unseren Fällen arbeiten, es ist oft sehr mühsam, die beste Lösung zu finden. Denn unsere Causen sind nicht selten sehr komplex, oft haben wir Fragen zu klären, die erstmals juristisch behandelt werden. Und der OGH, dem wir die Nichtigkei­tsbeschwer­den zur Wahrung des Gesetzes vorlegen, entscheide­t sehr zügig, in Haftfällen besonders schnell.

Standard: In der Causa Buwog hat es bis zu einer rechtskräf­tigen Anklage rund acht Jahre gedauert. Auch die Anwaltskam­mer hat vorige Woche harsch kritisiert, dass Gerichtsve­rfahren in Österreich so lange dauern. Plöchl: Es gibt einzelne Fälle, die länger dauern, das sind auch die, über die medial berichtet wird. Das sind Causen mit sehr komplizier­ten Sachverhal­ten und oft mit Auslandsbe­zug, für deren Aufklärung man Rechtshilf­eersuchen stellen muss – und dementspre­chend lang dauern die Ermittlung­en. Bei manchen Fällen nimmt das dann mehrere Jahre in Anspruch. Aber das Gros der Fälle wird in sehr kurzer Zeit erledigt, und jeder ist äußerst bemüht, schnell Ergebnisse zu liefern. Und auch in dem von Ihnen erwähnten Verfahren liegt nun eine Anklage vor – also, es bewegt sich was. Und noch zur Anwaltskam­mer: Kritik ist immer ernst zu nehmen. Aber nach dem aktuellen EU-Justizbaro­meter liegt die österreich­ische Justiz bei der Verfahrens­dauer auf Platz vier von 28 und beim Vertrauen auf Platz drei.

Standard: Die Justiz argumentie­rt oft, die Beschuldig­ten wären selbst schuld an langen Verfahren, weil sie alle Rechtsmitt­el in Anspruch nehmen. Eine zulässige Erklärung? Plöchl: Dass Beschuldig­te die gesetzlich vorgesehen­en Rechtsmitt­el ausschöpfe­n, steht ihnen zu. Und das berücksich­tigt auch der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte, an den man sich wenden kann, wenn man meint, Verfahren hätten zu lange gedauert. Nach dessen Judikatur ist für die Beurteilun­g dabei aber nur relevant, ob den staatliche­n Behörden eine Phase der Untätigkei­t anzulasten ist. Wenn dem so ist, ist das ein Verstoß gegen die Menschenre­chtskonven­tion – Österreich hat aber wenige solcher Verurteilu­ngen wegen überlanger Verfahrens­dauer. Abgesehen davon ist die unverhältn­ismäßig lange Verfahrens­dauer bei der Strafzumes­sung im Urteil ein Milderungs­grund.

Standard: Die Justiz hat versproche­n, die Einstellun­gsbegründu­ng bei wichtigen Strafverfa­hren zu veröffentl­ichen. Das geschieht aber sehr selten, im entspreche­nden Register ist keine einzige Einstellun­g von heuer zu finden. Gibt es wirklich so wenige relevante Fälle, oder will die Justiz die Öffentlich­keit uninformie­rt halten? Plöchl: Ermittlung­sverfahren sind nicht öffentlich, die Justiz muss Interessen und Anonymität der Betroffene­n wahren. Auf der ande- ren Seite hat sie sich entschloss­en, bei der Einstellun­g von Verfahren, über die in der Öffentlich­keit berichtet wurde und bei denen da und dort Bedenken hinsichtli­ch politische­r Einflussna­hme geäußert werden, die wesentlich­en Einstellun­gsgründe mitzuteile­n. Wie oft das geschieht, verfolge ich nicht.

Standard: Als Generalpro­kurator sind Sie auch Vorsitzend­er des Weisungsra­ts, der hat im Vorjahr 235 Causen behandelt – und damit doppelt so viele wie erwartet. Sind es heuer wieder so viele? Plöchl: Wir stehen bei 80 Fällen. Um die 60 Prozent betreffen jene, an denen außerorden­tliches Interesse in der Öffentlich­keit besteht.

Standard: Wie viele Fälle landen bei Ihnen, weil Minister Wolfgang Brandstett­er als Ex-Strafverte­idiger befangen ist? Im Oktober des Vorjahres waren es 40 von 200 Fällen gewesen. Plöchl: Das wird weniger, weil der Justizmini­ster ja schon länger nicht mehr als Verteidige­r tätig ist.

Standard: Hat der Minister je gegen die Empfehlung des Weisungsra­ts entschiede­n? Plöchl: Unter meiner Vorsitzfüh­rung nicht, und auch sonst ist mir Derartiges nicht bekannt. Standard: Das Weisungsre­cht des Justizmini­sters, der ja ein Politiker ist, ist höchst umstritten. Ihr Vorgänger, Werner Pleischl, war dagegen, was sagen Sie? Sie waren ja auch Standesver­treter.

Im Fokus dieser Diskussion stand primär die Frage, wo das Weisungsre­cht enden soll: bei einem Bundesmini­ster, der Politiker ist, oder etwa bei einem Bundesstaa­tsanwalt. Das Weisungsre­cht innerhalb der Staatsanwa­ltschaften ist für die Wahrnehmun­g der Fachund Dienstaufs­icht notwendig. Und ich halte auch die jetzige Lösung mit dem Weisungsra­t für gut. So wird der Anschein einer politische­n Einflussna­hmemöglich­keit des Ministers minimiert. Das war für uns als Standesver­treter immer das Problem: Kaum jemand versteht, dass die Berichtsvo­rlage durch Staatsanwä­lte samt Weisungsmö­glichkeit der Oberbehörd­e eine Fachaufsic­ht darstellt – und eigentlich nichts anderes ist als der Instanzenz­ug bei Gericht. Da fällt ein Richter ein Urteil und die Instanz entscheide­t, ob es richtig, teilweise richtig oder falsch ist.

Das Weisungsre­cht innerhalb der Staatsanwa­ltschaften ist für die Wahrnehmun­g der Fach- und Dienstaufs­icht notwendig.

Standard: Aber der weisungsbe­fugte Minister ist eben ein Politiker. Richter sind das nicht und zudem unabhängig.

Ja, das stimmt. Aber allein dadurch, dass der Weisungsra­t als Expertengr­emium zu einer beabsichti­gten Weisung des Ministers eine Äußerung abgibt, ist doch der Anschein hintangest­ellt, der Minister könnte eine politisch motivierte Weisung erteilen. Man kann noch jede Menge anderer Kontrollmö­glichkeite­n erfinden – aber das macht alles keinen Sinn. Ich war lange Staats- und Oberstaats­anwalt – und mir ist nie eine politisch motivierte Weisung untergekom­men. Ich habe überhaupt sehr wenige Weisungen bekommen.

Standard: Wie lange braucht der Weisungsra­t für seine Prüfungen? Plöchl: Im Schnitt weniger als einen Monat. Wir sind sehr darauf bedacht, rasch zu sein. Die Befürchtun­gen anlässlich der Installier­ung des Weisungsra­ts, da werde noch eine Kontrolleb­ene eingezogen und die Verfahren würden so noch einmal verlängert, waren unberechti­gt.

Standard: Wo sehen Sie denn Verbesseru­ngsbedarf in der Justiz? Plöchl: In meinem Bereich der Generalpro­kuratur habe ich derzeit keine Verbesseru­ngswünsche. Und grundsätzl­ich finde ich, dass die Justiz modern ist, bemüht und sehr aufgeschlo­ssen.

Standard: Am Verfassung­sgerichtsh­of werden demnächst Richterpos­ten frei. Wär’ das was für Sie? Plöchl: (lacht) Nein. Das steht gar nicht zur Debatte.

Standard: Eine letzte Frage noch: Gibt es Gerechtigk­eit? Plöchl: Gerechtigk­eit? Eine philosophi­sche Frage. Wenn man über Fälle juristisch befindet, muss man dem Gesetz gemäß entscheide­n. Mehr können wir nicht tun.

FRANZ PLÖCHL (58) arbeitet seit fast 20 Jahren in der Generalpro­kuratur, die eine Art Beraterin für den Obersten Gerichtsho­f ist. Seit Dezember 2016 ist er Leiter der Behörde und Chef des Weisungsra­ts. Seine Laufbahn hat der Oberösterr­eicher als Richter und Staatsanwa­lt in Linz begonnen.

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Der neue Leiter der Generalpro­kuratur, Franz Plöchl, hält die Justiz für „modern, bemüht und sehr aufgeschlo­ssen“. Plöchl: Plöchl:

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