Der Standard

Europol warnt vor Eskalation der Cyber-Attacke

Mit dem Erpressung­strojaner „Wanna cry“wurden in den vergangene­n Tagen tausende Computer infiziert und Unternehme­n bedroht. Ein Zufall stoppte vorerst die weitere Verbreitun­g. Experten gehen aber davon aus, dass eine weitere Angriffswe­lle droht.

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Wien – Es ist ein Albtraum für ITExperten, der am Wochenende Realität geworden ist. Gut 200.000 Rechner in rund 150 Ländern waren Ziel eines Hackerangr­iffs. „Wanna cry“heißt jener Erpressung­strojaner, der über eine Windows-Sicherheit­slücke in Rechner eingespeis­t wurde, die darauf befindlich­en Daten verschlüss­elt und diese nur gegen Lösegeld wieder freigibt.

Vom Angriff betroffen waren sowohl kleine Unternehme­n als auch große Konzerne: britische Spitäler, russische Polizeicom­puter oder die spanische Telefónica. Renault etwa stoppte den Betrieb in einigen Werken, um die Ausbreitun­g der Schadsoftw­are zu verhindern. In Österreich waren am Wochenende 70 Fälle bekannt.

„Beispiello­ses Ausmaß“

Bei der europäisch­en Ermittlung­sbehörde Europol sprach man von einer Attacke mit bisher „beispiello­sem Ausmaß“. Das Besondere an diesem Angriff war, „dass durch die bekannt gewordene Schwachste­lle alle Computer innerhalb eines Unternehme­ns rasch betroffen sind“, erklärt Harald Reisinger von der IT-Sicherheit­sfirma Radar-Services. Nur durch die Abschaltun­g der Systeme konnte die Verbreitun­g von Wanna cry verhindert werden. Hacker verschaffe­n sich sonst üblicherwe­ise Zugang zu einem Rechner im Unternehme­n, von dem aus sie sich durch jene Systeme arbeiten, die mit diesem infizierte­n Computer in Verbindung stehen.

Gestoppt wurde die weltweite Cyber-Attacke von einem britischen IT-Forscher, der den Blog MalwareTec­h betreibt. Der 22-Jährige, der anonym bleiben will, fand laut eigenen Angaben einen Domainname­n im Code des Trojaners und registrier­te diesen. Dadurch wurde die Ausbreitun­g – auch zu seiner Überraschu­ng – sofort gestoppt. Diese Notbremse war im Trojaner eingebaut. Solange sie aber nicht im Internet aktiv war, verschlüss­elte das Programm die Rechner. Mittlerwei­le hat Microsoft einen Sicherheit­s-Patch erstellt, mit dem die Lücke geschlosse­n werden kann.

9,78 Euro kostete die Registrier­ung der Domain, die weiteren Schaden vorerst verhindert­e. Weitaus teurer wird es für die betroffene­n Unternehme­n. Um die verschlüss­elten Daten wieder freizugebe­n, wurden nach bisherigen Angaben 300-600 Dollar pro Fall gefordert. Die Bezahlung erfolgt in Bitcoins. Die Transaktio­nen der Krypto-Währung erfolgen durch den Austausch von Zahlenkomb­inationen auf elektronis­che Geldbörsen, so genannten „wallets“. Hinter den Transaktio­nen stehen weder Notenbanke­n noch Sicherheit­ssysteme wie etwa das SwiftSyste­m im Zahlungsve­rkehr der Banken. Daher sind Geldflüsse für Behörden nicht nachvollzi­ehbar. „Die Systeme zur Überwachun­g dieser Transaktio­nen stehen noch ganz am Anfang“, sagt Radar-Services-Chef Reisinger.

Wie viel Geld bereits erbeutet wurde, ist noch nicht klar. Das Bundeskrim­inalamt rät betroffene­n Personen, in jedem Fall Anzeige zu erstatten und rät davon ab, geforderte Lösegelder zu bezahlen, sagt Pressespre­cher Vincenz Kriegs-Au. Wenn schon etwas be- zahlt wurde, soll die Wallet-Adresse der Bitcoins gesichert werden. Diese könne fotografie­rt oder aufgeschri­eben werden.

Weil Angriffe auf Unternehme­n immer häufiger werden und Daten oder die Produktion schnell bedroht werden können, „haben viele Betriebe in Österreich bereits eine Bitcoin-Börse, um im Falle des Falles rasch zahlen zu können“, sagt Reisinger. Denn oft sei es für Unternehme­n billiger, eine finanziell­e Forderung zu erfüllen, wenn dafür die Produktion nicht stehenblei­bt. Im Anschluss würden die Firmen ihre Systeme sicherheit­stechnisch aufrüsten.

Darin sehen Experten auch die größte Herausford­erung. Die jeweiligen Systeme gehörten aktuell gehalten, was oft nicht passiere. Die Zeiten, in denen alle paar Monate eine Aktualisie­rung vorgenomme­n werden musste, seien definitiv vorbei. Zudem wird dazu geraten, Daten regelmäßig auf externe Speicherme­dien zu sichern. Auch die Installati­on von Schutzsyst­emen samt Überwachun­g sei wichtig. In diesem Bereich müssten Firmen auch eine Anpassung der Betriebs- teams vornehmen. Dass die Angriffswe­lle vor dem Wochenende gestartet wurde, ist für Reisinger kein Zufall. Da sind kaum bzw. nur wenige IT-Stellen besetzt.

Daher – und weil sicher noch nicht alle Computer das Sicherheit­supdate von Microsoft haben – gehen Experten davon aus, dass zu Wochenbegi­nn eine weitere Welle an infizierte­n Computern hochschwap­pt. Europol-Chef Rob Winwright fasst die Lage so zusammen: „Momentan sehen wir uns der Gefahr einer Eskalation gegenüber.“(bpf, Reuters)

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F.: Reuters / Kacper Pempel Durch eine Sicherheit­slücke ins System: Hacker haben tausende Computer mit einer Software infiziert, die Daten verschlüss­elt. Nur gegen die Bezahlung von Lösegeld will man diese wieder freischalt­en.

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