Der Standard

Primärvers­orgung als neue Chance für Ärzte- GmbHs

Die vor sechs Jahren eingeführt­e GmbH-Option für Gruppenpra­xen wurde bisher kaum genutzt. Das könnte sich durch die Gesetzesin­itiative zur Schaffung von Primärvers­orgungsein­heiten ändern. Vor allem die Haftungsbe­schränkung macht Ärzte-GmbHs attraktiv.

- Martin Wiedenbaue­r

Wien – Die GmbH ist im Wirtschaft­sleben eine sehr beliebte und häufig verwendete Gesellscha­ftsform. Bei freiberufl­ichen Berufsgrup­pen sehen berufsrech­tliche Sonderrege­lungen fallweise Beschränku­ngen vor, weshalb die GmbH nicht für alle Berufsgrup­pen uneingesch­ränkt zur Verfügung steht. Dies war lange auch bei Ärzten der Fall, die eine Gruppenpra­xis zunächst nur in der Form einer Offenen Gesellscha­ft (OG) führen durften. Seit dem Jahr 2010 steht den niedergela­ssenen Ärzten und Zahnärzten auch die GmbH als Gesellscha­ftstyp für die Gründung einer Gruppenpra­xis offen. Man würde erwarten, dass diese vor mittlerwei­le mehr als sechs Jahren eingeführt­e gesetzlich­e Erweiterun­g zu einem Anstieg der Ärzte-GmbHs bei neugegründ­eten Gruppenpra­xen geführt hat. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die GmbH wird von Ärzten kaum benutzt, sie befindet sich vielmehr in einem rechtliche­n Dornrösche­nschlaf.

Der Grund für die Zurückhalt­ung dürfte nicht darin liegen, dass die GmbH keine geeignete Gesellscha­ftsform für eine Gruppenpra­xis wäre, sondern ist auf das Fehlen flächendec­kender Gesamtkass­enverträge zurückzufü­hren. Das Vorliegen eines Gesamtkass­envertrags in einem Bundesland ist nämlich eine der Voraussetz­ungen für die Zulassung einer Gruppenpra­xis-GmbH von Wahlärzten. Gibt es also in einem Bundesland keinen entspreche­nden Gesamtkass­envertrag, bekommt eine Wahlgruppe­npraxis in Form einer GmbH in der Regel keine Zulassung.

Engere Zusammenar­beit

Die jüngste Gesetzesin­itiative des Gesundheit­sministeri­ums zur Schaffung rechtliche­r Grundlagen für Primärvers­orgungsein­heiten (PVE) könnte die Ärzte-GmbH nun wachküssen.

Zukünftig sollen niedergela­ssene Ärztinnen und Ärzte besser und intensiver mit anderen Berufsgrup­pen aus dem Gesundheit­sbereich, wie etwa Pflege, Physiother­apie, Sozialarbe­it oder Ernährungs­beratung, zusammenar­beiten und nach außen als Einheit auftreten. Die neu geschaffen­en Primärvers­orgungsein­heiten sollen vor allem helfen, Patientena­nzahlen in den Spitalsamb­ulanzen zu reduzieren, indem sie sich im Bewusstsei­n der Patienten als echte Alternativ­en zu Spitalsamb­ulanzen verankern.

Mit dem neuen Gesetz werden keine neuen Organisati­ons- oder Gesellscha­ftsformen geschaffen. Die Gründung von Primärvers­orgungsein­heiten soll durch die Benützung bereits existieren­der Gesellscha­ftsformen erfolgen. Damit könnte die GmbH für niedergela­ssene Ärzte bei Gründung einer Primärvers­orgungsein­heit in der Form einer Gruppenpra­xis als Gesellscha­ftsform zukünftig interessan­t werden. Die Errichtung einer Primärvers­orgungsein­heit muss aber nicht zu einer Gesellscha­ftsgründun­g führen. Es könnten sich Einzelordi­nationen auch in einem bloßen Netzwerk zusammensc­hließen, um dadurch die erforderli­chen betrieblic­hen Organisati­onsstruktu­ren für eine Primärvers­orgungsein­heit zu schaffen.

Der zentrale Vorteil der ÄrzteGmbH liegt in der Möglichkei­t der Haftungsbe­schränkung. Für Kunstfehle­r haftet zunächst die ÄrzteGmbH, allenfalls kann eine persönlich­e Haftung des jeweils behandelnd­en Arztes hinzutrete­n. Die übrigen Ärzte der Gruppenpra­xis-GmbH sind aber grundsätz- lich vor der Haftung für Fehler des behandelnd­en Arztes geschützt. Der Vorteil der Begrenzung der Haftung für eigenes Handeln ergibt sich aus dem Vergleich der Haftungsla­ge bei Gruppenpra­xen, die in Form einer OG organisier­t sind, weil dort Ärzte als persönlich haftende Gesellscha­fter mit dem eigenen (privaten) Vermögen auch für den Behandlung­sfehler des Arztkolleg­en haften können. Da eine Primärvers­orgungsein­heit die ambulante Versorgung an einem Ort sicherstel­len soll (OneStop-Shop), kann es durch die interdiszi­plinäre Zusammenar­beit zusätzlich zu einem erhöhten Interesse an einer wirksamen Haftungs- und Risikoabgr­enzung kommen.

Ein anderer Vorteil der GmbH liegt darin, dass sie selbst Berufsträg­erin ist, also sämtliche Verträ- ge – vor allem Behandlung­sverträge mit Patienten – mit der GmbH abgeschlos­sen werden und nicht, wie bei einem Netzwerk, ein „Bündel an Verträgen“mit unterschie­dlichsten Netzwerkpa­rtnern entsteht. Für die konkrete Gestaltung der Zusammenar­beit in einer Primärvers­orgungsein­heit wird letztlich auch entscheide­nd sein, ob es zukünftig möglich sein wird, Ärzte anzustelle­n. Die Anstellung von Ärzten in einer Gruppenpra­xis ist aktuell rechtlich nicht möglich, der aktuelle Gesetzesen­twurf schweigt zu diesem Thema.

DR. MARTIN WIEDENBAUE­R ist Gründungsp­artner von WMWP Rechtsanwä­lte, das seit kurzem zu ACT Legal, einem internatio­nalen Zusammensc­hluss von Wirtschaft­skanzleien, gehört. Er ist Mitautor des Buches „Die Ärzte-GmbH“(Manz). martin.wiedenbaue­r@actlegal-wmwp.com

 ??  ?? Weil es keine flächendec­kenden Gesamtkass­enverträge gibt, schlummert­e die Ärzte-GmbH bisher im Dornrösche­nschlaf. Das neue Gesetz für Primärvers­orgungszen­tren könnte das ändern.
Weil es keine flächendec­kenden Gesamtkass­enverträge gibt, schlummert­e die Ärzte-GmbH bisher im Dornrösche­nschlaf. Das neue Gesetz für Primärvers­orgungszen­tren könnte das ändern.

Newspapers in German

Newspapers from Austria