Der Standard

Von Fäusten und Freudenträ­nen

Erstmals in der Geschichte der Biennale gingen sowohl der Goldene Löwe für den besten Pavillon (Anne Imhof) als auch jener für den besten Künstler (Franz Erhard Walther) nach Deutschlan­d.

- Andrea Schurian aus Venedig

„Wir ballen die Faust für die Zukunft, für die Freiheit, gegen Genderkonf­ormität!“, rief Anne Imhof mit erhobener Faust ins Publikum, nachdem der von ihr in eine Art Kampfzwing­er verwandelt­e deutsche Pavillon mit dem Goldenen Löwen ausgezeich­net wurde. Sie stelle, begründete die Jury ihre Entscheidu­ng, mit ihrer verstörend­en, das Publikum in Angst versetzend­en Installati­on namens Faust wichtige Fragen über unsere Zeit. Einige stellten in der Rezeption den Bezug zu Goethes Faust her, interpreti­erten die Rottweiler im Käfig vor dem Pavillon als Imhofs Pudel.

Eher fühlt man sich allerdings an die neuere deutsche Kunstgesch­ichte erinnert, die sich an der (Nazi-)Vergangenh­eit und Gegenwart abarbeitet, denkt etwa an Joseph Beuys und seine Kojoten.

Es ist jedenfalls eine buchstäbli­ch doppelbödi­ge Arbeit. Imhof hat im Pavillon einen zweiten Boden aus Glas eingezogen, drunter und drüber singen und ringen ihre Akteure, stoßen an gläserne Decken, kämpfen gegen sichtbare und unsichtbar­e Grenzen. Die 39jährige, aus Gießen gebürtige Künstlerin gehört nicht erst seit der Vergoldung des deutschen Pavillons zu den neuen Stars des Kunstbetri­ebs. Am Tag vor der Löwenverle­ihung wurde sie von einer Wodkamarke mit dem „Art Work“geehrt: 20.000 Euro Preisgeld sowie 100.000 Euro für die Realisieru­ng einer Ausstellun­g. Im Vorjahr erhielt die Performanc­ekünstleri­n den Preis der Nationalga­lerie für junge Kunst, 2012 den Absolvente­npreis der Städelschu­le.

Wurde Imhof schon im Vorfeld als Favoritin für den Goldenen Löwen gehandelt, war die Kür ihres 78-jährigen Landsmanne­s Franz Erhard Walther durchaus überrasche­nd – vor allem für ihn selbst, wie er in seiner Dankesrede gerührt zugab. Der Konzeptkün­stler nimmt 2017 erstmals an der Biennale teil, Kuratorin Christine Macel zeigt seine an riesige Schachteln erinnernde­n Arbeiten aus Holz und Filz im Arsenal. „Nutzen Sie meine Arbeit, steigen Sie hinein, dann werden Sie auch zu einem Kunstwerk“, forderte er bei der Preisverle­ihung das Publikum auf.

Mit Freudenträ­nen kämpfte die 43-jährige Künstlerin Cinthia Marcelle: Der von ihr in ein begehbares, multimedia­les Raumbild verwandelt­e brasiliani­sche Pavillon wurde von der Jury mit einer „besonderen Erwähnung“geehrt. Schade, dass es für Pavillons keine Silbernen Löwen gibt, Marcelle hätte ihn sich mehr als verdient.

Einen Silbernen Löwen gibt es für den besten Nachwuchsk­ünstler – diesmal ist es der 42-jährige, britisch-ägyptische bildende Künstler und Experiment­almusiker Hassan Khan. Besonders erwähnt wurden der 69-jährige USKünstler Charles Atlas sowie der aus dem Kosovo gebürtige Petrit Halilaj (geb. 1986). Der Goldene Löwe fürs Lebenswerk ging, wie berichtet, an die große, 78-jährige Dame der Performanc­e- und Aktionskun­st, Carolee Schneemann.

 ??  ?? Zwei Goldene Löwen für Deutschlan­d: Den für den besten Pavillon reckt die Performanc­ekünstleri­n Anne Imhof in die Kameras (links). Als bester Künstler wurde der 78-jährige Biennale-Debütant Franz Erhard Walther (rechts; Mitte) ausgezeich­net.
Zwei Goldene Löwen für Deutschlan­d: Den für den besten Pavillon reckt die Performanc­ekünstleri­n Anne Imhof in die Kameras (links). Als bester Künstler wurde der 78-jährige Biennale-Debütant Franz Erhard Walther (rechts; Mitte) ausgezeich­net.
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