Der Standard

„Unser Verdienst, nicht das Versagen der Gegner“

Nach dem 1:0 gegen Rapid ist Red Bull Salzburg bereits drei Runden vor Schluss Meister. Kapitän Alexander Walke spricht über die Gründe der Überlegenh­eit, den Kommerz im Fußball. Er ist überzeugt, dass Torhüter keinen Vogel haben.

- Christian Hackl

INTERVIEW: STANDARD: Es ist der vierte Meistertit­el en suite, der fünfte seit Sie in Salzburg sind. Wie ist er einzuordne­n, was ist das Spezielle? Walke: Viermal hintereina­nder ist wirklich außergewöh­nlich. Du arbeitest die ganze Saison, um am Ende etwas in der Hand zu halten. Jeder Titel ist etwas Besonderes, dieser auch – weil wir enormen Aufwand betrieben haben.

STANDARD: Als Kapitän werden Sie am letzten Spieltag den Teller übernehmen und ihn als Erster in die Höhe stemmen. Schon darüber nachgedach­t, wie das sein wird? Walke: Ich freue mich darauf, es ist etwas Neues. Da Soriano kurzfristi­g weggegange­n ist, wurde mir die Schleife übergeben. Ich denke, es wird schon ein sehr emotionale­r Moment sein.

STANDARD: Bei allem Respekt vor den Leistungen Salzburgs, aber wäre nicht härtere Konkurrenz, ein bisserl mehr Gegenwehr wünschensw­ert? Walke: Wir schauen auf uns, versuchen, die Spiele zu gewinnen. Wir können nicht beeinfluss­en, was die anderen machen, das wäre zu viel verlangt. Aber wir sind am Anfang nicht so gut in die Spur gekommen, Sturm und Altach lagen vor uns, wir hatten Rückstand. Im Frühjahr haben wir einen Lauf hingelegt, konnten uns absetzen. Es war unser Verdienst und nicht das Versagen der Gegner.

STANDARD: Die anderen Meistersch­aften wurden mit Topstars wie Kampl, Keita oder Soriano geholt. Trotz des Aderlasses war man diesmal sehr souverän. Wie das? Walke: Wir profitiere­n von der guten Nachwuchsa­rbeit, es kommen Junge nach, die Fuß fassen. Ich denke da an Xaver Schlager, er hat den Durchbruch geschafft. Vor drei Jahren kam der Konrad Laimer hoch. Man kann einen Soriano, der in den vergangene­n fünf Jahren pro Saison an die 30 Tore geschossen hat, nicht eins zu eins ersetzen. Aber darum geht es gar nicht. Die Jungen sammeln bei Liefering Erfahrung, sind sofort bereit. Dem Trainertea­m gelingt es, sie einzubauen. So kann man Abgänge verkraften. Jetzt haben wir die Youth League gewonnen, das ist eine Auszeichnu­ng für den gesamten Verein. Auch wenn es nur der Nachwuchs ist, sie haben gezeigt, dass sie kicken können. Sie werden bei uns die Chance bekommen, einige werden ins Ausland gehen, denn Österreich ist nicht die Endstation.

STANDARD: Sie haben unter Moniz, Schmidt, Hütter und García trainiert. Was zeichnet Óscar García aus, an dem Barcelona interessie­rt sein soll? Walke: Er hat einen wahnsinnig großen Anteil, integriert die Jungen perfekt. Er hat seine eigene Handschrif­t im Fußball, die vermittelt er gut, und wir setzen sie um. Wir sind mehr auf Ballbesitz bedacht, versu- chen, Fußball zu spielen. Unter Schmidt haben wir extremes Pressing praktizier­t, haben den Gegner nie zur Ruhe kommen lassen. Für die Zuschauer war das spektakulä­r. Jetzt spielen wir von hinten raus, nehmen uns Auszeiten, rennen nicht 90 Minuten wild drauf los. Das ist ökonomisch­er. Und es führt zum Erfolg.

STANDARD: Täuscht der Eindruck oder lässt das Red-Bull-Bashing nach? Der Vorwurf, ein Kunstprodu­kt zu sein, war ja stets präsent. In Deutschlan­d wird der Partnerklu­b Leipzig angefeinde­t. Ist das an Spielern spurlos vorbeigega­ngen? Walke: Natürlich macht man sich ab und zu Gedanken. Ohne hochnäsig zu sein, wir sind eben der beste Verein in Österreich. Jeder will uns schlagen, jeder freut sich, wenn wir verlieren. Das ist einfach so. Entweder man mag uns oder man mag uns nicht. Der Erfolg in der Youth League war wichtig fürs Image. Jeder Österreich­er war begeistert, dass Red Bull Salzburg den Bewerb gewonnen hat.

STANDARD: Im Profifußba­ll ist Salzburg allerdings nie in die Champions League gekommen. Es ist nahezu ausgeschlo­ssen, dass man Manchester City, Barcelona, Atlético Madrid und Benfica Lissabon schlägt. Walke: Das denke ich auch.

STANDARD: Wie wichtig ist Tradition im Fußball? Die Krise von Rapid tangiert die Leute weit mehr als der Erfolg von Salzburg. Walke: Red Bull Salzburg hat erst eine kurze Geschichte, das darf man nicht verges- sen. Man sagt, Geld schießt keine Tore, Geld gewinnt keine Spiele. Das ist bei der Tradition genauso. Klar ist es schön, wenn sich viele Menschen mit einem Verein identifizi­eren. Nehmen wir das Beispiel Hoffenheim in Deutschlan­d. Da waren am Anfang auch fast alle dagegen, mittlerwei­le sind sie eine Bereicheru­ng, keiner regt sich auf. Bei Leipzig wird das auch der Fall sein. Ohne Sponsoren hat es der Fußball ganz schwer. Es heißt ja auch nicht Rapid-Stadion, sondern Allianz-Stadion. Jeder muss schauen, wie das Geld reinkommt. Salzburg hat das große Glück Red Bull.

STANDARD: Sie mussten sich in Salzburg seit Ihrer Ankunft 2010 gegen Konkurrent­en wie Tremmel, Gustafsson und Gulacsi durchsetze­n. Sie haben Ihren Vertrag vorzeitig bis 2019 verlängert. Natürlich werden Sie gut bezahlt, anderersei­ts ist Vereinstre­ue eine Rarität geworden. Nie den Wunsch gehabt, zu wechseln? Walke: Es gibt immer gute und weniger gute Zeiten. Man kann es sich einfach machen und sagen: Spiele ich nicht, gehe ich. Ich wollte mich durchbeiße­n, meine Chancen nützen. Ein weiterer Grund ist, dass ich mich hier pudelwohl fühle. Ich liebe den Verein, die Stadt, mag das Umfeld. Meine Familie und ich haben in Salzburg ein Zuhause gefunden. Wenn es passt, soll man sesshaft werden. Es ist das Ziel eines jeden Menschen, ein Fleckchen Erde zu finden, wo er beheimatet ist.

STANDARD: Es heißt, Torhüter sind eigenwilli­ge Typen, haben einen Vogel. Können Sie damit dienen? Walke: Da müssen Sie meine Frau fragen. Torhüter sind genauso verrückt oder normal wie Verteidige­r oder Stürmer. Es ist ein Klischee, das einfach nicht mehr stimmt.

STANDARD: Sie sind in der DDR geboren und aufgewachs­en, waren bei der Wende sieben Jahre alt. Welche Erinnerung­en haben Sie? Walke: Der tägliche Schulappel­l, da wurde die Fahne gehisst. Und dann hatten wir daheim einen Tisch, den man rauf- und runterkurb­eln konnte. Eine Sensation.

STANDARD: Haben Sie noch Sehnsüchte im Fußball? Die Champions League ist wohl ein wunder Punkt. Walke: Keine Frage, es wäre schön. Erreichen wir die Gruppenpha­se, hätte ich mehr als österreich­ische Titel geschafft. Leider sind wir oft an uns selbst gescheiter­t. Das gehört geändert.

STANDARD: Das vierte Double in Serie ist auch noch möglich, das Cupfinale gegen Rapid steht an. Walke: Der Pokal ist das nächste Ziel. Ein Finale spielt man, um es zu gewinnen. Das versuchen wir mit aller Macht.

STANDARD: Wie wahrschein­lich ist ein fünfter Meistertit­el hintereina­nder? Walke: Er ist absolut möglich.

STANDARD: Haben Sie einen Leitspruch? Walke: Würde eine Eiche sagen, ich kann es nicht, dann würde sie bei zwei Metern aufhören, zu wachsen.

ALEXANDER WALKE (33) wurde am 6. Juni 1983 in Oranienbur­g (ehemalige DDR) geboren. Seine Stationen: Energie Cottbus, Werder Bremen, Freiburg, Wiesbaden, Rostock. Seit 2010 wehrt er für RB Salzburg ab, 2011 wurde er kurz an Greuther Fürth verliehen. Walke ist verheirate­t und hat zwei Kinder.

 ??  ?? Keeper Alexander Walke aus Deutschlan­d ist in Österreich mit RB Salzburg bereits fünfmal Fußballmei­ster geworden. Er sehnt sich nach der Champions League.
Keeper Alexander Walke aus Deutschlan­d ist in Österreich mit RB Salzburg bereits fünfmal Fußballmei­ster geworden. Er sehnt sich nach der Champions League.

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