Der Standard

Cyberattac­ke: Schwere Vorwürfe gegen NSA

Seit Freitag wütet ein Wurm, der Lücken in Microsofts Betriebssy­stem Windows ausnutzt. Diese Lücke war den US-Geheimdien­sten schon länger bekannt – sie nutzten sie jedoch für eigene Zwecke. Deshalb äußert der US-Konzern nun außergewöh­nlich scharfe Kritik.

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Seattle – Man stelle sich vor, jemand hätte dem US-Militär Tomahawk-Raketen gestohlen und würde mit ihnen nun auf Ziele in den USA schießen: So drastisch erklärt Microsoft-Manager Brad Smith, was momentan mit dem Wurm „Wanna Cry“passiert. Dieser hat seit vergangene­m Freitag hunderttau­sende Rechner weltweit infiziert, indem er eine Lücke in Microsofts Betriebssy­stem Windows ausnützt.

Dieser Fehler – und hier kommt der Tomahawk-Vergleich ins Spiel – war den US-Geheimdien­sten offenbar schon seit langer Zeit bekannt. Die Lücke wurde nur publik, weil geheime Angriffswa­ffen der NSA ins Netz geraten sind – entweder durch einen Insider oder einen Hackerangr­iff auf den US-Geheimdien­st.

Kriminelle dürften die Angriffsme­thoden der NSA nun kopiert und damit einen der größten Cyberangri­ffe aller Zeiten durchgefüh­rt haben. „Die Regierunge­n dieser Welt sollten die Vorgänge als einen Weckruf verstehen“, sagt Smith, der Microsofts Rechtsabte­ilung vorsteht. Er fordert, dass Regierunge­n künftig die Meldung von Sicherheit­slücken forcieren und diese nicht mehr für eigene Zwecke horten.

Tatsächlic­h ist spätestens seit den Enthüllung­en von NSAWhistle­blower Edward Snowden klar, dass Geheimdien­ste im Netz äußerst aggressiv spionieren. Um in fremde Systeme einzudring­en, brauchen sie Lücken, die bislang noch nicht gestopft sind. Derartige Angriffe werden als „Zero Day Exploit“bezeichnet, da der Hersteller null Tage (Zero Days) Zeit hat, um darauf zu reagieren.

Microsoft reagierte im März

Bei der jetzigen Angriffswe­lle handelt es sich de facto um keine Zero-Day-Lücke, da sie seit einigen Wochen bekannt ist. Microsoft hat bereits im März mit Upgrades auf die Fehler in seinen Betriebssy­stemen reagiert.

Doch offenbar haben zahlreiche Organisati­onen ihre Rechner noch nicht aktualisie­rt, weshalb die Kriminelle­n freie Bahn hatten. Upgrades sind bei Rechnern, die etwa mit medizinisc­hem Equipment oder industriel­len Anlagen verbunden sind, oftmals nicht komplikati­onsfrei durchzufüh­ren. Die Cyberattac­ke konnte am Wochenende nur durch einen Zufallsfun­d gestopft werden. Ein zunächst anonymer Hacker, der sich später als 22-jähriger Brite zu erkennen gab, entdeckte eine Internetad­resse, mit der der Wurm kommunizie­rte. Als diese Domain registrier­t wurde, stellte das Schadprogr­amm seine kriminelle­n Aktivitäte­n ein.

Doch Sicherheit­sexperten waren relativ pessimisti­sch, dass dies so bleiben würde. Warnungen von IT-Experten vor einer neuen Angriffswe­lle in der neuen Woche erfüllten sich zunächst nicht. Der Schaden konzentrie­rte sich vor allem auf Russland und Asien, hieß es in ersten Analysen.

Vier Firmen in Österreich

In Österreich waren laut Bundeskrim­inalamt vier Unternehme­n – zwei Tankstelle­n, ein Hotel und ein Technologi­e-Unternehme­n – betroffen. Meldungen über prominente Ausfälle – vergleichb­ar mit der Deutschen Bahn oder Renault-Werken in Frankreich – gab es hierzuland­e keine.

Der kriminelle Angriff dürfte zu politische­n Konsequenz­en führen. Der deutsche Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) forderte eine Erhöhung des IT-Sicherheit­sniveaus. Der russische Präsident Wladimir Putin be- schuldigte US-Geheimdien­ste, die IT-Sicherheit aufs Spiel zu setzen. In Großbritan­nien geriet Premiermin­isterin Theresa May in die Kritik. Dem englischen Gesundheit­sdienst NHS, dessen Spitäler unter den ersten Opfern waren, wurde vorgeworfe­n, Warnungen ignoriert zu haben. May dementiert­e am Montag, dass diese ignoriert worden seien. Sie versprach, in den kommenden zwei Jahren umgerechne­t rund 2,3 Milliarden Euro für Cybersiche­rheit auszugeben.

In Österreich wäre für die zweite Jahreshälf­te ein Cybersiche­rheitsgese­tz geplant gewesen, das wegen möglicher Neuwahlen nun auf dem Spiel steht. Unternehme­n hätten dann Hacker-Angriffe verstärkt melden müssen. (fsc)

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