Der Standard

Graz: Weitere NS-Bauten

Im Zuge der Bauarbeite­n für das Murkraftwe­rk ist eine Bunkeranla­ge des ehemaligen NS-Lagers im Grazer Wohnbezirk Liebenau – samt Kriegsmate­rial – entdeckt worden. Direkt betroffen vom Fund ist ein von der Stadt auf diesem Areal geplantes Jugendzent­rum.

- Walter Müller

Im Zuge der Bauarbeite­n für das Murkraftwe­rk ist ein NS-Bunker entdeckt worden. Betroffen ist ein geplantes Jugendzent­rum.

Graz – Es ist ein zeitgeschi­chtlich hochsensib­les Areal, auf dem das Projekt des Murkraftwe­rks realisiert wird. In unmittelba­rem Umkreis befand sich – wie mehrmals berichtet – ein NS-Lager. Auf dem Gelände werden nach wie vor Massengräb­er vermutet, doch letzte Untersuchu­ngen, die dies widerlegen oder bestätigen können, wurden bis heute von der Stadt nicht angeordnet.

Im Zuge der Vorarbeite­n für das Kraftwerk, während Bauarbeite­r Platz für eine Gasleitung geschaffen hatten, ist nun – „wenig überrasche­nd“, wie der Leiter der Archäologi­e im Bundesdenk­malamt, Bernhard Hebert, bemerkt – ein Bunker des ehemaligen NS-Lagers entdeckt worden.

Auf diesem Grundstück soll ein neues Jugendzent­rum errichtet werden. Nun muss das Projekt umgeplant werden. Es sei jedenfalls ein „gut erhaltener Bunker“, der in der NS-Zeit „für die Täter zum Schutz vor Luftangrif­fen angelegt worden ist. Die Lagerhäftl­inge wurden ihrem Schicksal überlassen“, sagt Hebert.

Im Bunker sind grafische Dokumente der Lagerzeit an den Wän- den erhalten geblieben, gefunden wurden auch Reste von Kriegswaff­en und Munition.

Die erst vor wenigen Tagen entdeckten Relikte müssten erst von den Archäologe­n, die die Bauarbeite­n des Murkraftwe­rkes und nun auch die Errichtung des Jugendzent­rums begleiten, ausgewerte­t werden, sagt Hebert im Gespräch mit dem Standard.

Fraglich ist nun, ob das Jugendzent­rum auf dem Areal überhaupt gebaut werden kann. Hebert ist der Meinung, dass es mit einigen Umplanunge­n durchaus errichtet werden könne. Allerdings mit der Auflage, dass die historisch­en Baudokumen­te nicht beeinträch­tigt werden – vielmehr soll sichergest­ellt werden, dass sie auch öffentlich als Stätte der Geschichte, des Gedenkens zugänglich bleiben.

„Ich denke, es wäre durchaus im Sinne der Jugendarbe­it angebracht, hier einen Ort des Gedenkens und der Aufarbeitu­ng der belasteten Geschichte dieses Lagers zu schaffen“, schlägt Hebert vor.

Der Wissenscha­ftler schließt nicht aus, dass während der Bauarbeite­n für das Kraftwerk weitere Reste des ehemaligen NS-Lagers entdeckt werden. Es ist nach wie vor denkbar, dass in diesem ehemaligen NS-Lager im Wohnbezirk Liebenau womöglich in verfüllten Bombentric­htern und Gruben noch jüdische Opfer verscharrt sind. Rainer Possert, ein Allgemeinm­ediziner im Bezirk Liebenau, drängt die Rathauspol­itiker seit Jahren, diese offenen Fragen zu klären.

Die Historiker­in Barbara StelzlMarx hatte 2013 erstmals das NSLager Liebenau wissenscha­ftlich dokumentie­rt. Den historisch­en Forschunge­n zufolge sind rund 7000 bis 8000 ungarische Juden gegen Kriegsende 1945 von Ungarn kommend hier in Graz inhaftiert worden, ehe sie in Todesmärsc­hen nach Mauthausen getrieben wurden.

Leichen exhumiert

Viele von ihnen starben zuvor schon im Lager an Erschöpfun­g, Unterernäh­rung oder Krankheit. Viele wurden massakrier­t, erschossen und vor Ort verscharrt. An die 60 Leichen wurden nach dem Krieg exhumiert.

„Natürlich“, sagt der Archäologe vom Bundesdenk­malamt, Hebert, hätte man die ganze Aufarbeitu­ng dieses Wohnvierte­ls „auch anders machen können“. Nun aber habe er den Eindruck, dass die archäologi­sche Begleitung des Baues des Murkraftwe­rkes in den Planungen „eingetakte­t“sei. Tatsächlic­h ist seit Wochen ein Team von Experten vor Ort, um etwaige Funde zu sichern und zu bewerten.

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Die nun entdeckte Bunkeranla­ge im Grazer Wohnbezirk Liebenau ist gut erhalten. Darin wurden noch Kriegsreli­kte gefunden.

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