Der Standard

Auch Kroatien droht Neuwahl

Konservati­ve HDZ wartet Ergebnis der Lokalwahle­n ab

- Adelheid Wölfl

Zagreb/Sarajevo – Nicht nur in Österreich, auch in Kroatien könnte es im Herbst vorgezogen­e Neuwahlen geben. Denn die parlamenta­rische Mehrheit für die konservati­ve regierende HDZ ist seit dem Zerfall der Koalition mit der Neo-Partei Most äußerst gering und fragil. Doch nun will Regierungs­chef Andrej Plenković zunächst einmal das Ergebnis der Lokalwahle­n abwarten, die nächsten Sonntag beginnen und am 4. Juni enden werden.

Danach wird wohl viel klarer sein, ob es noch eine Mehrheit im Parlament gibt. Wird die liberale HNS bei den Lokalwahle­n gut abschneide­n, könnten im September Parlaments­wahlen stattfinde­n, und die HDZ könnte danach mit der HNS koalieren. Die HNS von Ex-Außenminis­terin Vesna Pusić unterstütz­t die HDZ in der jetzigen Situation aber nicht – angeblich auch, weil Pusić sauer ist, dass sie keine Unterstütz­ung von Plenković für einen UN-SpitzenJob bekommen hatte.

In seiner eigenen Partei, die unter Vorgänger Tomislav Karamarko weit nach rechts gerutscht war, hat Plenković den rechten Flügel nun ziemlich ausgebrems­t. Hardliner wie der ehemalige Kulturmini­ster Zlatko Hasanbegov­ić gelten als weitgehend entmachtet. Die Rechten in der HDZ sind aber mit dem Liberalen Plenković unzufriede­n und provoziere­n.

So meinte etwa der Herzegowin­er – die Herzegowin­er gelten als besonders nationalis­tisch – Milijan Brkić kürzlich, dass in Kroatien nur ethnische Kroaten entscheide­n würden. Vertreter von Minderheit­en forderten daraufhin von Plenković, dass er sich von dem Vize-Parlaments­präsidente­n Brkić distanzier­en müsse, ansonsten würden sie ihre Unterstütz­ung für die Regierung zurückzieh­en. Damit würde die HDZ aber keine Mehrheit mehr im Sabor haben.

76 von 151 Mandataren

Zurzeit wird die Regierung offenbar nur von 76 der 151 Abgeordnet­en unterstütz­t. Praktisch wird bei jedem Gesetz eine neue Mehrheit im Parlament gesucht.

Der Zerfall der HDZ-Most-Koalition war eine Folge der schweren Krise des Lebensmitt­elkonzerns Agrokor, der für den kroatische­n Staat systemrele­vant ist. Der Umsatz des Unternehme­ns umfasst beinahe 16 Prozent des kroatische­n Bruttoinla­ndsprodukt­s. Deshalb will der Staat das Unternehme­n auch durch ein neues Gesetz finanziell stützen.

Zunächst sollen nun Anteile an dem riesigen Unternehme­nsnetz verkauft werden, um wenigstens Teile der 5,4 Milliarden Euro Schulden zurückzahl­en zu können. Gedacht ist an jene Subunterne­hmen, die nicht zum Kerngeschä­ft gehören. Dies kündigte der von der Regierung ernannte neue Manager Ante Ramljak an.

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