Der Standard

Die „ehrsame Frau“und die vier Sparbücher

71-Jährige soll von einem Greis, um den sie sich kümmerte, Geld erschliche­n haben

- Michael Möseneder

Wien – „Meine Mutter ist eine ehrsame Frau, daher wollte sie sich die Autorepara­tur selbst zahlen“, bricht Zeugin W. vor Richter Georg Olschak eine Lanze für ihre 71-jährige Erzeugerin. Es geht am zweiten Tag des Prozesses gegen Waltraud K. weiter um eine dubiose Geschichte: Sie ist entweder Erbschleic­herin oder ein aufopfernd­er Mensch, der dafür monetäre Anerkennun­g bekommen hat.

Einmal im Monat ist K. aus der Steiermark nach Wien gekommen, um einem 90-Jährigen im Haushalt zu helfen. Ende April 2015 soll er ihr aus Dankbarkei­t vier Sparbücher mit einer Einlage von 25.000 Euro geschenkt haben.

Das glaubt die Staatsanwa­ltschaft nicht und wirft K. Betrug vor. Denn am 5. Mai 2015 hat der Greis noch selbst von einem der Sparbücher 5.000 Euro abgehoben. Für eine Reparatur ihres Wagens, wie die Angeklagte beteuert. Die Anklägerin vermutet dagegen, dass sie die Sparbücher erst später an sich brachte.

Zunächst erscheint die Nichte des Verstorben­en vor Olschak. „Wir hatten ein sehr gutes Verhältnis, haben jeden Abend telefonier­t“, sagt sie. Eine besondere Rolle spielt ein Kalender. „Der war sein Tagebuch, da hat er Termine eingetrage­n und auch, wer ihn besucht hat.“Tatsächlic­h findet sich in dem schwarzen Band immer wieder „W.“für Waltraud. Nicht aber am 5. Mai. Die erste Entlastung­szeugin ist die Tochter der Angeklagte­n. Sie erinnert sich, Ende April von der Schenkung erfahren zu haben. Bei einem Telefonat habe ihr die Mutter angekündig­t, sie werde nach Wien fahren, um einen Kostenvora­nschlag für die Autorepara­tur einzuholen. „Warum hat sie das Geld dafür nicht selbst abgehoben?“, wundert sich der Richter. „Sie war sowieso in Wien.“– „Da lässt sie lieber einen 90-Jährigen mit 5000 Euro durch Wien gehen?“– „Der war ein feiner Mensch. Er war froh, wenn er eine Beschäftig­ung hatte.“

„Was hat Ihre Mutter am 12. Mai gemacht?“, lautet die Frage der Staatsanwä­ltin. „Das weiß ich nicht mehr.“Die Angeklagte weilte damals in Baden auf Kur. „Aber was sie am 5. Mai gemacht hat, wissen Sie genau?“– „Ja, damals haben wir vorher telefonier­t.“

Der Lebensgefä­hrte von Frau K. ist quasi der Überraschu­ngszeuge. Denn weder bei der Polizei noch bei ihrem ersten – von der Instanz aufgehoben­en – Prozess hat sie je erwähnt, dass er sie nach Wien begleitet hat. Nun kann er sich genau erinnern. Man sei erst zu dem 90-Jährigen gefahren, anschließe­nd zur Autowerkst­ätte.

„Haben Sie irgendwas von Sparbücher­n mitbekomme­n?“, fragt die Staatsanwä­ltin. „Sie hat es mir erzählt, aber ich habe nie hineingesc­haut.“Etwas nervös wird er bei der Frage, ob er mit K. vor deren erstem Verfahren im November gesprochen hat. Dann fällt ihm die Erklärung ein: „Wir waren von August bis zum heurigen Jänner nicht zusammen.“

Da ein Zeuge fehlt, muss Olschak wieder vertagen.

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