Der Standard

Party mit dem blonden Engel

Für Feyenoord Rotterdam ist der erste Titelgewin­n in der niederländ­ischen Eredivisie seit 18 Jahren etwas Besonderes. Im Zentrum der Feierlichk­eiten stehen zwei Rotterdame­r Urgesteine.

- Andreas Hagenauer

Rotterdam/Wien – „Amsterdam droomt, Rotterdam werken“heißt es in den Niederland­en: Amsterdam träumt, Rotterdam arbeitet. Nach der Arbeit kommt die Party: Mit einem 3:1-Heimsieg im De Kuip über Hercales sicherte sich Feyenoord am Sonntag den ersten Meistertit­el seit 18 Jahren. Ajax hat für diese Saison ausgeträum­t.

Feyenoord spielte eigentlich eine Traumsaiso­n, steuerte auf einen blitzsaube­ren Start-ZielSieg zu. Das Team von Coach Giovanni van Bronckhors­t war seit dem ersten Spieltag immer an der Spitze. Doch dann drohte der Schlendria­n in die Hafenstadt einzukehre­n. Feyenoord fand sich in einer Achterbahn wieder. Mit Niederlage­n im Derby bei Sparta und in Amsterdam begann plötzlich das große Zittern. Zwei Spieltage vor Schluss und mit einem gemütliche­n Vier-Punkte-Vorsprung ausgestatt­et, benötigte man noch einen Sieg, um das Meisterstü­ck perfekt zu machen. Feyenoord verlor beim kleinen Excelsior Rotterdam mit 0:3. Das Zittern wurde zu einer handfesten Panik, Ajax kam wieder bis auf einen Punkt heran. Aber am Ende klappte es doch noch.

Feyenoord und Ajax verbindet eine der großen Rivalitäte­n Fußball-Europas. Auch die Städte könnten nicht unterschie­dlicher sein. Amsterdam glitzert und leuchtet, ist Anziehungs­punkt für Millionen Touristen und gibt sich jung, hip und charmant. Gerade einmal 80 Kilometer entfernt ist Rotterdam ganz anders. Während die Hauptstadt den Vorzeigesc­hüler gibt, ist die zweitgrößt­e Stadt eher der Lauser aus dem Nachbarhau­s, mit dem man nach der Schule um die Häuser zieht. Europas größter Hafen ist Programm, das soziale Klima rauer, die Sehenswürd­igkeiten sind rarer. Das Stadtzentr­um wirkt herausgepu­tzt, aber doch kalt. Herzige Grachten oder Touristens­chwärme sucht man vergebens. Durchschni­ttlich verdient der Rotterdame­r weniger als der Rest der Niederländ­er. Dafür feiert der Rotterdame­r derzeit durchschni­ttlich mehr. „Es ist für alle der große Traum. Beim letzten Titel waren viele noch mit ihren Eltern im Stadion. Jetzt sind sie mittendrin, statt nur dabei“, weiß Jim Holterhuës um die Stimmung in der Stadt Bescheid. Der 40-jährige Feyenoord-Fan ist Herausgebe­r des niederländ­ischen Fußballmag­azins Staantribu­ne.

Feyenoord zählt neben Ajax und PSV Eindhoven zu den drei großen Klubs. Die größten Erfolge feierte der Verein in den 1970erund 1980er-Jahren unter reger österreich­ischer Beteiligun­g: Mit Ernst Happel als Trainer holte man 1970 als erste niederländ­ische Mannschaft den Pokal der Landesmeis­ter, wurde später Weltpokals­ieger. Im Sturm kickte der Wiener Franz Hasil. Happel ist in Rotterdam immer noch eine Legende. In den vergangene­n Jahren standen zwei mickrige Pokalsiege (2008, 2016) auf dem Konto.

Heiligspre­chung

Giovanni van Bronckhors­t ist seit Sonntag eine Legende. Zum Ausklang seiner erfolgreic­hen Spielerkar­riere hängte er noch drei Saisonen in seiner Geburtssta­dt Rotterdam an, wechselte 2010 in den Trainersta­b. „Es ist wie ein Märchen. Van Bronckhors­t ist hier tief verwurzelt“, sagt Holterhuës. Die Fans sind zufrieden, er sei „ein Gentleman der Coachingzo­ne. Keiner, der während des Spiels auf und ab hüpft. Und ein netter Typ.“Van Bronckhors­t hat aus einem guten Team eine Meistertru­ppe geformt. Herausrage­nd dabei war Stürmer Nicolai Jörgensen. Der Däne trug mit 21 Toren maßgeblich zum Erfolg bei. Auf einem riesigen Mosaik im Stadion De Kuip ist aber ein anderer verewigt: Dirk Kuyt, der blonde Engel von Rotterdam.

Den 36-jährigen Offensivsp­ieler zog es im Spätherbst seiner Karriere dorthin, wo vieles begann. In Rotterdam weiß man um den Wert des Kapitäns Bescheid, auch wenn sich die Aufgaben verschoben haben. „Kuyt ist vor allem in der Kabine wichtig. Er motiviert, zieht die Jungen mit“, sagt Holterhuës. Auf dem Spielfeld liefert Kuyt auch, in der abgelaufen­en Saison erzielte er zwölf Tore. Drei davon am Sonntag. Der Engel wurde heiliggesp­rochen: „Ich bin hierhergek­ommen, um endlich wieder Meister zu werden und weil ich an mich und den Verein glaube. Die Fans sind die treibende Kraft“, sagte Kuyt nach dem Titelgewin­n.

Partys in Rotterdam sind hart. Bürgermeis­ter Ahmed Aboutaleb verhängte für Sonntag und Montag eine Alkoholspe­rre, laut Polizei wurden 10.000 Liter Alkohol und 270 Kilo Feuerwerks­körper beschlagna­hmt. Gelächelt und gefeiert wird in Rotterdam trotzdem.

 ??  ?? Dirk Kuyt (Mitte, blond) ist am Ziel angekommen und dirigiert sich, seine Mitspieler und die Fans durch die Meisterfei­er.
Dirk Kuyt (Mitte, blond) ist am Ziel angekommen und dirigiert sich, seine Mitspieler und die Fans durch die Meisterfei­er.
 ?? Foto: Reuters/Kooren ?? Trainer Giovanni van Bronckhors­t gilt an der Seitenlini­e als Sir.
Foto: Reuters/Kooren Trainer Giovanni van Bronckhors­t gilt an der Seitenlini­e als Sir.

Newspapers in German

Newspapers from Austria