Fahren ohne Karte – ein Traum
DB und ÖBB testen kontaktlose Verrechnung via Handy
Wien – Das Timing hätte ungünstiger kaum sein können. Just an dem Wochenende, an dem Anzeigetafeln und Ticketautomaten auf deutschen Bahnhöfen ausfielen, weil die Deutsche Bahn (DB) – wie 200.000 Unternehmen weltweit – Opfer eines Hacker-Angriffs wurde, kündigte deren neuer Chef, Richard Lutz, das Ende der klassischen Papierfahrkarte an.
Wiewohl die Cyberattacke kein Sicherheitsrisiko dargestellt habe, wie die DB versichert: Begeisterungsstürme über die neue Form des virtuellen Ticketerwerbs sind nicht überliefert. Dabei klingt das von Lutz via Bild- Zeitung skizzierte Verkaufssystem einfach: Der Bahnfahrer steigt wo auch immer in einen Zug ein, und die Ticketabrechnung erfolgt nach dem Ausstieg automatisch über die Handyrechnung. Wie bei der Handy-App entfällt der Kauf einer Fahrkarte an Schalter, Automat oder PC.
Am Montag wollte sich ein DBSprecher über Details und einen Zeitplan zum E-Ticket-Feldversuch via Mobiltelefon nicht äußern. Ziel sei es, Bahnfahren so einfach und bequem wie möglich zu gestalten. Dazu gehöre auch ein modernes Ticketing, wie bereits mit dem Handy-Ticket („DB Navigator“) praktiziert. Dabei habe man natürlich nicht ausschließlich online buchende Vielfahrer im Blick, sondern auch „selten mit der Bahn reisende Senioren“. Auf Wunsch stelle man natürlich Papierfahrkarten aus.
Da drahtloses Internet (WLAN) in den Zügen vorhanden sei, stelle die digitale Abrechnung je nach Streckenabschnitt den nächsten Schritt dar, wirbt der DB-Chef.
Ein Pilotprojekt mit ähnlichem Ziel startet auch die ÖBB. Sie lädt Österreich-Card-Besitzer in der Steiermark und in Kärnten ab Juli zu einem Test ein, bei dem über eine vom Forschungszentrum AIT (Seibersdorf) entwickelte HandyApp festgestellt wird, wo ein Fahrgast in einen Zug einsteigt und wo er wieder aussteigt. Die Grundbedingung könnte potenzielle Nutzer aber abschrecken: Die Mobilfunkortung muss aktiviert sein, sonst weiß das System ja nicht, welchen Zug der Tester genommen hat. Die sohin gesammelten Daten werden anonymisiert, versichert ÖBB-Sprecher Bernhard Rieder. Ziel des Versuchs: herauszufinden, ob es für so ein Tool eine ausreichende Zahl an Interessenten gibt. Noch kein Thema: die Abrechnung, denn Österreich-CardHalter haben ja pauschal für das ganze Jahr bezahlt. Die Abrechnung sei dann der nächste Schritt, sagt Rieder.
Fahren ohne klassisches Ticket ist bereits der zweite Versuch einer elektronischen Abrechnung bei der DB. Der erste, „Touch & Travel“, bei dem sich der Kunde bei Fahrantritt ein- und beim Ausstieg ausloggen musste, wurde Ende November eingestellt. Obwohl sich 100.000 Kunden angemeldet hatten. Es werde hauptsächlich im Nahverkehr genützt, so die DB.
Getestet und verworfen wurde kontaktloses Bezahlen von der SBB in der Schweiz. „Easyride“funktionierte dank NFC-Technologie gut, auch Abrechnungslösungen backstage seien unkritisch.
Herausforderung sei die Absicherung gegen Missbrauch, sagt Westbahn-Chef Erich Forster. Das übernehme keine Bank. Auch müssten sämtliche Züge „onlinisiert“werden, sonst bleibe so ein System Stückwerk. Auch deshalb seien international keine schnellen Lösungen in Sicht. (ung)