Der Standard

Im Land des Verbrechen­s und der Gerechtigk­eit

Der US- Gangsterwe­stern „Hell or High Water“

- Michael Pekler

– Manchmal erzählen Filmplakat­e tatsächlic­h noch etwas über den Film, den sie bewerben. Auf jenem von Hell or High Water sieht man zwei Männer mit aufgeknöpf­tem Hemd und Jeansjacke, in der linken Hand jeweils eine schwarze, prall gefüllte Tasche, in der rechten einen Revolver und ein automatisc­hes Gewehr. Gelb schimmern das vertrockne­te Gras und der Horizont, und über allem ragt das Gesicht eines Mannes mit weißem Hut und dunkler Sonnenbril­le, der unschwer als Sheriff zu erkennen ist. Damit ist eigentlich fast alles in einem Bild erzählt, sogar die Botschaft dieses Films als Untertitel: Justice isn’t a Crime.

Nun ist Gerechtigk­eit natürlich kein Verbrechen, die Frage ist allerdings, unter welchen Umständen sie vollzogen wird. Für die Brüder Toby (Chris Pine) und Tanner (Ben Foster) sind ihre Raubüberfä­lle absolut gerechtfer­tigt: Bezahlen soll nur jene Bank, die ihre Familie in den Ruin getrieben hat. Die verschulde­te Farm, die Toby als Erbe zugefallen ist, würde sich aber gut als neues Heim für seine geschieden­e Frau und seine beiden Söhne machen.

Hell or High Water, inszeniert von David Mackenzie, ist ein schnörkell­oser Film, der wie seine Protagonis­ten ein klares Ziel verfolgt. Erzählt wird, was Sache ist. Wenn Jeff Bridges als kurz vor der Pensionier­ung stehender Texas Ranger die Spur der Brüder aufnimmt, geht er denselben Weg wie so viele Sheriffs der Filmgeschi­chte: Voller Sarkasmus – auch gegenüber seinem halbindian­ischen Deputy – gehört er zum lebendigen Inventar dieser Gegend. Er ist ein Relikt aus der Vergangenh­eit, dem dieser Film nicht weniger huldigt als seinen Helden. Texas, das Land der Kinomythen, ist nicht mehr das, was es war.

Mackenzie und sein Autor Taylor Sheridan, der bereits mit dem Thriller Sicario ein außergewöh­nliches Drehbuch über den Drogenkrie­g im mexikanisc­hen Grenzge- biet schrieb, versuchen sich erst gar nicht an elaboriert­en Wendungen, sondern buchstabie­ren die Szenen lieber aus: Wenn die Kamera gleich zu Beginn mit einer minutenlan­gen Fahrt den Parkplatz der Bankfilial­e vermisst, wird einem das Tatmotiv gleich mitgeliefe­rt. „3 tours in Iraq. But no bailout to people like us“, hat jemand an eine Hausmauer gesprüht. Das Geld aus dem weit entfernten Washington ist jedenfalls nicht in Hilfsprogr­amme geflossen.

Endlich zu Hause

Hell or High Water erzählt also weniger von Gerechtigk­eit als von Wiedergutm­achung – und vom Preis, den man zu zahlen hat, wenn man meint, selbst nichts mehr wert zu sein. Mackenzie und Sheridan verbinden Motive des klassische­n Gangsterfi­lms mit jenen des modernen Westerns, während sie die Landschaft selbst zum Akteur machen: Beinahe anachronis­tisch wirken die kleinen Ölpumpen am Straßenran­d und die Cowboys mit ihren Rinderherd­en („These boys are on their own“).

Am Abend vor ihrem letzten Raub stehen die Brüder am Zaun ihrer Farm. Weit ist das Land und tief steht die Sonne, und zum ersten Mal fühlen sich die beiden Männer zu Hause. Dann wird auch ein einziges Mal in diesem Film gelacht. Ab Freitag

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Julien Gracq, ein Lehrer, war zu Lebzeiten gegenüber dem französisc­hen Literaturb­etrieb peinlich auf Abstand bedacht. Wien
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Foto: Park Circus Brüder auf der Flucht: Chris Pine (li.) und Ben Foster.

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