Der Standard

Die Kurz’sche Reform von oben birgt Gefahren

Kreisky wurde im Laufe der Jahre autoritär, der neue ÖVP-Chef ist es bereits jetzt

- Robert Schediwy ROBERT SCHEDIWY( Jahrgang 1947) ist Sozialwiss­enschafter und Kulturpubl­izist.

Sebastian Kurz war in den letzten Jahren eine durchaus ansprechen­de Erscheinun­g in der österreich­ischen Politik. Der adrette und beredte junge Mann konnte immer wieder mit vernünftig­en Aussagen punkten, etwa in der Frage der Flüchtling­spolitik oder als Kritiker der nicht sehr ehrlichen langjährig­en Verzögerun­gshaltung der EU gegenüber der Türkei. Nun soll er, mit großen Vollmachte­n ausgestatt­et, die müde gewordene ÖVP wieder zu neuen Erfolgen führen.

Die Umstände seiner Inthronisi­erung befremden aber ein wenig. Vor allem die Tatsache, dass die ÖVP, immerhin eine der Gründerpar­teien der Zweiten Republik, als „Liste Sebastian Kurz“bei den nächsten Wahlen auftreten muss, erscheint etwas bedenklich. Als Ausweg aus der Sinnkrise wird hier bloß auf das Vertrauen in eine jugendlich­e und selbstbewu­sste Führungspe­rson gesetzt.

Das verbreitet­e Unbehagen mit der Politik kommt ja daher, dass viele Menschen den Eindruck haben, Politik sei zur Spielwiese einer winzigen. abgehobene­n Schicht von „Berufsgsch­aftlhubern“verkommen, die sich an Außenseite­ranliegen und lächerlich­en Gags ergötzen (Ampelpärch­en, Radwegsfet­ischisten, Geilomobil­fahrer etc ). Insidersch­erze und eine straffere Führung durch einen „Chef“oder eine „Chefin“dürften hier nicht viel an Vertrauen stiften.

Die von Kurz anvisierte Reform „von oben“richtet sich offensicht­lich vor allem an die Funktionär­sebene. Sie mag kurzfristi­g die Schlagkraf­t der Organisati­on erhöhen, aber „die Menschen da draußen“dürften sich relativ unbeeindru­ckt zeigen. Handfeste Mitwirkung­srechte „von unten“wären da schon überzeugen­der: etwa parteiinte­rne, finanziell streng reglementi­erte Vorwahlen, die auch für deklariert­e Sympathisa­nten zugänglich sind.

Kreisky wollte seinerzeit die „gesamte Gesellscha­ft mit Demokratie durchflute­n“. Er hat es nicht geschafft und wurde im Alter ziemlich autoritär. Kurz fängt im Vergleich schon ziemlich autoritär an. Dabei könnte ernsthafte­s Eintreten für mehr direkte Demokratie auch in Sachfragen längerfris­tig die demokratis­che Kultur es Landes fördern und auch die Legitimitä­t der Parteiappa­rate steigern. Vom „Boss“handverles­ene Kandidaten­listen mit jeder Menge braver „Akklamatio­nsfrauerln“stimmen jedenfalls etwas bedenklich. Hoffen wir, dass die Fahrt mit dem Geilomobil nicht in die falsche Richtung geht.

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