Der Standard

Viel Arbeit vor dem jähen Ende

Was monatelang in der Warteschle­ife hing, soll nun doch gelingen: SPÖ und ÖVP wollen noch zahlreiche Punkte aus dem Regierungs­programm abarbeiten. Zur Not würde sich bei dem einen oder anderen Punkt aber wohl auch eine Mehrheit abseits der Koalitions­parte

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Jetzt, da die Koalition mit einem fixen Ablaufdatu­m versehen ist, wollen Rot und Schwarz noch Aktivität zeigen. Kanzler Christian Kern und der neue ÖVP-Chef Sebastian Kurz haben jeweils jene Punkte vorgelegt, die sie bis zur Wahl im Herbst noch durch das Parlament bringen wollen. Im Grunde handelt es sich um Dinge, die auch im Regierungs­programm fixiert waren und für die es – zumindest zum Teil – auch schon konkrete Gesetzesen­twürfe gibt. Ein Überblick über die wichtigste­n Themen, die Streitpunk­te und die Frage, welche Rolle die Opposition spielen könnte.

Arbeitsmar­kt Bei all dem Chaos der letzten Tage kann schon mal der Überblick verlorenge­hen. Im Parlament erklärte Kern seine Initiative für einen höheren Mindestloh­n zu einer vordringli­chen Frage. In seinem Zehn-PunkteProg­ramm findet sich dieser aber gar nicht. Eigentlich hat man das Thema (wie auch die Arbeitszei­tflexibili­sierung) an die Sozialpart­ner ausgelager­t, die noch bis Ende Juni Zeit für eine Lösung haben. Im Falle des Falles könnte sich die SPÖ bei dem Thema aber wohl mit den Grünen und der FPÖ treffen. Die Frage ist aber, ob die Roten wirklich in ein klassische­s Sozialpart­nerthema eingreifen wollen.

Explizit genannt wird im KernPapier die Aktion 20.000, durch die für 20.000 langzeitar­beitslose über 50-Jährige geförderte Jobs in Gemeinden und gemeinnütz­igen Einrichtun­gen geschaffen werden sollen. Abgelehnt wurde von der ÖVP bisher, dass im Rahmen der Aktion auch 1000 Stellen im Bundesdien­st geschaffen werden sollen. Ebenfalls strittig: Die Gemeinden drängen auf fixe Finanzieru­ngszusagen, das Finanzmini­sterium will zuerst wissen, um welche konkreten Jobs es gehen soll.

Bildung Im Bildungsbe­reich sind mehrere Bälle in der Luft. Das Schulauton­omiepaket, das mehr Einfluss der Direktoren auf die Lehrerausw­ahl, die Bildung von „Schulclust­ern“von bis zu acht Schulen und die Abschaffun­g der Klassensch­ülerhöchst­zahl brin- gen soll, war bereits in Begutachtu­ng. Die – für die ÖVP traditione­ll wichtige – Zustimmung der Lehrergewe­rkschaft fehlt aber noch. Deren Chef Paul Kimberger zeigte sich auf STANDARD- Anfrage auch skeptisch ob der Umsetzung, weil nicht klar sei, wie es auf politische­r Ebene weitergehe. Was die Sache noch verkompliz­iert: Da auch die Schulverwa­ltung neu organisier­t wird, ist eine Zweidritte­lmehrheit notwendig. SPÖ und ÖVP brauchen also die Stimmen von Grünen oder FPÖ. Beide Opposition­sparteien haben sich bisher aber skeptisch geäußert.

Bei der Studienbei­hilfe schlug Noch-Wissenscha­ftsministe­r Reinhold Mitterlehn­er vor, diese um 25 Millionen Euro pro Jahr anzuheben. Die SPÖ verlangt eine Anpassung an die Inflation seit 1999, was 80 bis 100 Millionen Euro ausmachen würde. Da auch Grüne und Freiheitli­che wohl für eine kräftigere Anpassung zu haben wären, dürfte die SPÖ hier am längeren Ast sitzen. Weniger Schwierigk­eiten sind bei der Umsetzung des zweiten Gratiskind­ergartenja­hres zu erwarten.

Bei der Studienpla­tzfinanzie­rung hat Mitterlehn­er für einen Fixbetrag pro Studienpla­tz samt Zugangsbes­chränkunge­n in Fächern mit schlechter Betreuungs­relation plädiert. Kern befürworte­t zwar die Studienpla­tzfinanzie­rung, SPÖ-intern ist das Thema aber nicht unumstritt­en, weshalb es Kern in seinem Programm auch erst gar nicht erwähnte.

Steuern Nur auf der VP-Liste ist auch die kalte Progressio­n, also die Anpassung der Steuertari­fe an die Inflation. Uneinig war man sich bisher bei der Valorisier­ung der oberen Steuerstuf­en. Druck machen hier auch die Neos und die FPÖ, weshalb die ÖVP, so sie das will, auch abseits der SPÖ Partner finden könnte. Bisher junktimier­t mit der kalten Progressio­n war die Erhöhung der Forschungs­prämie von zwölf auf 14 Prozent. Kurzfristi­g nur schwer umzusetzen sind wohl diverse SP-Vorschläge zur Vermeidung von Gewinnvers­chiebungen durch Konzerne.

Unternehme­r Chancen auf eine gemeinsame Umsetzung mit FPÖ, Neos und Team Stronach hätte die ÖVP auch bei ihren Forderunge­n, Mehrfachst­rafen für Unternehme­r im Verwaltung­srecht abzuschaff­en oder die Mobilität von Arbeitslos­en durch neue Förderunge­n zu erhöhen. Vor allem letzterer Punkt ist für die SPÖ, obwohl auch im Koalitions­programm vorgesehen, im Wahlkampf kein großes Anliegen.

Dafür darf sie darauf hoffen, dass sich im Notfall Mehrheiten ohne ÖVP bei der Entlastung von Kleinunter­nehmern im Krankheits­fall (Krankengel­d, Entgeltfor­tzahlung) finden. Kein Streitthem­a dürften 30-prozentige Frauenquot­en in Aufsichtsr­äten von Großuntern­ehmen sein. Noch wenig bekannt ist, wie es zu einer Bündelung der Zuständigk­eit für Betriebsan­lagen und Infrastruk­turprojekt­e (eine Folge des Streits um die dritte Flughafenp­iste in Wien) kommen soll.

Sicherheit Das Sicherheit­spolizeige­setz, das unter anderem eine Ausweitung der Videoüberw­achung und der Autokennze­ichenerfas­sung vorsieht, hat Innenminis­ter Wolfgang Sobotka bereits ohne Zustimmung der SPÖ in Begutachtu­ng geschickt. Aus wahltaktis­chen Gründen gilt es aber als wahrschein­lich, dass die Roten dem Paket doch zustimmen, Selbiges gilt für das Fremdenrec­htspaket (Wohnsitzau­flage für Flüchtling­e, höhere Verwaltung­sstrafen), das bereits weitgehend akkordiert ist.

Vom ÖVP-Wunsch nach einer Senkung der Familienbe­ihilfe für im Ausland lebende Kinder war die SPÖ nie ganz überzeugt, aber auch hier sind Mehrheiten rechts der Mitte denkbar.

Gesundheit Keine Probleme sollte es beim Gesundheit­sthema geben. Das lange erwartete Gesetz für Primärvers­orgungsein­heiten (PVE) wurde von Gesundheit­sministeri­n Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) in Abstimmung mit der ÖVP in Begutachtu­ng geschickt. Bei den Primärvers­orgungsein­heiten sollen Allgemeinm­ediziner mit anderen Gesundheit­sberufen zusammenar­beiten, damit sollen Spitalsamb­ulanzen entlastet und die ärztliche Versorgung im ländlichen Bereich sichergest­ellt werden. Bis 2021 soll es 75 Einheiten österreich­weit geben. (go, koli, mte, ost)

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Die nächsten Monate werden weisen, ob die Regierung gemeinsam oder doch mit der Opposition vorgeht.

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