Bezahlen sollen Unternehmen und Spitzenverdiener
Labours Wahlprogramm verspricht den Briten mehr Sozialwohnungen, bessere Krankenhäuser und Schulen. Aussicht auf Verwirklichung haben die von Parteichef Jeremy Corbyn präsentierten Ideen aber kaum.
Die Labour Party will das Verhältnis zwischen Staat und Märkten umkrempeln. Mit dem Programm für die britische Unterhauswahl in drei Wochen kehre man inhaltlich in den Kreis sozialdemokratischer Parteien Nordeuropas zurück, sagte der Vorsitzende Jeremy Corbyn am Dienstag im nordenglischen Bradford. Zu seinen Vorschlägen zählen der Bau von einer Million Sozialwohnungen, die Abschaffung der Studiengebühren, mehr Geld für Schulen und Krankenhäuser sowie die Verstaatlichung von Wasser- und Energieversorgern. Finanziert werden soll das Programm mit höheren Unternehmenssteuern und zusätzlicher Belastung von Spitzenverdienern.
Während die Konservativen von Premierministerin Theresa May auf Furcht setzten, sagte Corbyn: „Wir setzen auf Hoffnung und echte Chancen für jedermann.“Stolz hielt der Parteichef das 128 Seiten starke rote Büchlein in die Kameras, das sämtliche Ideen für die kommenden fünf Jahre zusammenfasst.
Mit dem Wahlslogan „Für die Mehrheit, nicht nur für einige we- nige“knüpft Labour unter dem deutlich links stehenden Parteichef an eine Parole des bei Wahlen dreimal erfolgreichen Ex-Premiers Tony Blair (1997–2007) an.
Nicht auf Schlagdistanz
In Umfragen bewegt sich die alte Arbeiterpartei um die 30 Prozent und damit mindestens 15 Prozentpunkte hinter den Torys. Im direkten Vergleich mit der 60- jährigen Regierungschefin schneidet Corbyn, 67, noch schlechter ab.
Während die Konservativen als „Theresa Mays Team“einen extrem auf die Person der Premierministerin zugeschnittenen Wahlkampf führen, in dem das Parteilogo kaum eine Rolle spielt, gehen viele Labour-Kandidaten ohne Corbyn auf Stimmenfang. So verschickt David Lammy im Nachbar- wahlkreis Tottenham Briefe an potenzielle Wähler, in denen vom Kandidaten für die Downing Street nicht mit einem Wort die Rede ist. Im Gespräch an der Haustür, so berichtet der frühere Abgeordnete Nick Palmer, begegne er zwei Arten von Labour-Sympathisanten: „Die eine Hälfte ist richtig begeistert, die andere Hälfte sehr zurückhaltend.“Selbst in Corbyns Heimatbezirk Nord-Islington „habe ich noch nie so viele Poster für die Liberaldemokraten gesehen“, klagt eine Labour-Aktivistin.
Dabei gelten viele Ideen der Sozialdemokraten als populär. Bereits seit längerem bekannt ist der Plan für höhere Verschuldung, um damit Infrastruktur-Investitionen von rund 250 Milliarden Pfund (295 Milliarden Euro) zu finanzieren. Das sei angesichts der Niedrigstzinsen problemlos zu finanzieren, beteuern Labours Finanzexperten. Allerdings stieg die Inflation zuletzt auf 2,7 Prozent.
Die privatisierten Eisenbahnen und die Royal Mail sollen nach und nach verstaatlicht werden, private Energie- und Wasserversorger bekämen Konkurrenz durch Unternehmen der öffentlichen Hand. Ein neu zu schaffendes Arbeitsministerium soll darüber wachen, dass die weit auseinanderklaffende Spanne zwischen Höchst- und Niedriggehältern in Unternehmen kleiner wird.
Robin-Hood-Steuer
Der City of London droht Labour mit der sogenannten RobinHood-Steuer auf Finanztransaktionen. Generell soll der Unternehmenssteuersatz schrittweise von 17 auf 26 Prozent und damit den Stand von 2010 angehoben werden. Wer Managern mehr als eine halbe Million Pfund im Jahr bezahlen will, soll dafür eine Sondersteuer von fünf Prozent des Gehalts entrichten. Bezieher von Einkommen ab etwa 95.000 Euro jährlich müssen zukünftig 45 statt bisher 40 Prozent Steuern zahlen; wer mehr als 143.000 Euro verdient, muss sogar die Hälfte davon abführen. Hingegen würden Mehrwertsteuer und Rentenversicherung unverändert bleiben.