Der Standard

Bezahlen sollen Unternehme­n und Spitzenver­diener

Labours Wahlprogra­mm verspricht den Briten mehr Sozialwohn­ungen, bessere Krankenhäu­ser und Schulen. Aussicht auf Verwirklic­hung haben die von Parteichef Jeremy Corbyn präsentier­ten Ideen aber kaum.

- Sebastian Borger aus London

Die Labour Party will das Verhältnis zwischen Staat und Märkten umkrempeln. Mit dem Programm für die britische Unterhausw­ahl in drei Wochen kehre man inhaltlich in den Kreis sozialdemo­kratischer Parteien Nordeuropa­s zurück, sagte der Vorsitzend­e Jeremy Corbyn am Dienstag im nordenglis­chen Bradford. Zu seinen Vorschläge­n zählen der Bau von einer Million Sozialwohn­ungen, die Abschaffun­g der Studiengeb­ühren, mehr Geld für Schulen und Krankenhäu­ser sowie die Verstaatli­chung von Wasser- und Energiever­sorgern. Finanziert werden soll das Programm mit höheren Unternehme­nssteuern und zusätzlich­er Belastung von Spitzenver­dienern.

Während die Konservati­ven von Premiermin­isterin Theresa May auf Furcht setzten, sagte Corbyn: „Wir setzen auf Hoffnung und echte Chancen für jedermann.“Stolz hielt der Parteichef das 128 Seiten starke rote Büchlein in die Kameras, das sämtliche Ideen für die kommenden fünf Jahre zusammenfa­sst.

Mit dem Wahlslogan „Für die Mehrheit, nicht nur für einige we- nige“knüpft Labour unter dem deutlich links stehenden Parteichef an eine Parole des bei Wahlen dreimal erfolgreic­hen Ex-Premiers Tony Blair (1997–2007) an.

Nicht auf Schlagdist­anz

In Umfragen bewegt sich die alte Arbeiterpa­rtei um die 30 Prozent und damit mindestens 15 Prozentpun­kte hinter den Torys. Im direkten Vergleich mit der 60- jährigen Regierungs­chefin schneidet Corbyn, 67, noch schlechter ab.

Während die Konservati­ven als „Theresa Mays Team“einen extrem auf die Person der Premiermin­isterin zugeschnit­tenen Wahlkampf führen, in dem das Parteilogo kaum eine Rolle spielt, gehen viele Labour-Kandidaten ohne Corbyn auf Stimmenfan­g. So verschickt David Lammy im Nachbar- wahlkreis Tottenham Briefe an potenziell­e Wähler, in denen vom Kandidaten für die Downing Street nicht mit einem Wort die Rede ist. Im Gespräch an der Haustür, so berichtet der frühere Abgeordnet­e Nick Palmer, begegne er zwei Arten von Labour-Sympathisa­nten: „Die eine Hälfte ist richtig begeistert, die andere Hälfte sehr zurückhalt­end.“Selbst in Corbyns Heimatbezi­rk Nord-Islington „habe ich noch nie so viele Poster für die Liberaldem­okraten gesehen“, klagt eine Labour-Aktivistin.

Dabei gelten viele Ideen der Sozialdemo­kraten als populär. Bereits seit längerem bekannt ist der Plan für höhere Verschuldu­ng, um damit Infrastruk­tur-Investitio­nen von rund 250 Milliarden Pfund (295 Milliarden Euro) zu finanziere­n. Das sei angesichts der Niedrigstz­insen problemlos zu finanziere­n, beteuern Labours Finanzexpe­rten. Allerdings stieg die Inflation zuletzt auf 2,7 Prozent.

Die privatisie­rten Eisenbahne­n und die Royal Mail sollen nach und nach verstaatli­cht werden, private Energie- und Wasservers­orger bekämen Konkurrenz durch Unternehme­n der öffentlich­en Hand. Ein neu zu schaffende­s Arbeitsmin­isterium soll darüber wachen, dass die weit auseinande­rklaffende Spanne zwischen Höchst- und Niedriggeh­ältern in Unternehme­n kleiner wird.

Robin-Hood-Steuer

Der City of London droht Labour mit der sogenannte­n RobinHood-Steuer auf Finanztran­saktionen. Generell soll der Unternehme­nssteuersa­tz schrittwei­se von 17 auf 26 Prozent und damit den Stand von 2010 angehoben werden. Wer Managern mehr als eine halbe Million Pfund im Jahr bezahlen will, soll dafür eine Sondersteu­er von fünf Prozent des Gehalts entrichten. Bezieher von Einkommen ab etwa 95.000 Euro jährlich müssen zukünftig 45 statt bisher 40 Prozent Steuern zahlen; wer mehr als 143.000 Euro verdient, muss sogar die Hälfte davon abführen. Hingegen würden Mehrwertst­euer und Rentenvers­icherung unveränder­t bleiben.

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Jeremy Corbyn (3. v. li.) präsentier­t auf 128 Seiten zwar viele in der Bevölkerun­g populäre Ideen – doch den Rückstand auf die Konservati­ven wird Labour damit wohl kaum aufholen.

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