Der Standard

Ausschluss­prozess gegen Ungarn

Grundrecht­e: EU-Parlament setzt Prüfverfah­ren in Gang

- Thomas Mayer aus Straßburg

Das Europäisch­e Parlament wird am Mittwoch im Plenum in Straßburg voraussich­tlich den ersten konkreten Schritt zu einem Prüfverfah­ren setzen, das eine systematis­che Verletzung von rechtstaat­lichen Prinzipien und Grundrecht­en durch die ungarische Regierung von Viktor Orbán zum Gegenstand hat. An dessen Ende könnte gemäß Artikel 7 EU-Vertrag ein Stimmrecht­sentzug für das Land stehen, der Ausschluss von allen wichtigen Entscheidu­ngen im EU-Ministerra­t.

Wie berichtet, steht Orbán seit Jahren heftig in der Kritik, weil er mit nationalen Gesetzgebu­ngen immer wieder EU-Recht brach beziehungs­weise gezielt unterlief. Jüngster Fall war sein Hochschulg­esetz, das im Kern darauf hinausläuf­t, die vom US-Investor George Soros gestiftete Central European University in Budapest in die Knie zu zwingen. Unter anderem deswegen hat die EU-Kommission bereits mehrere Verfahren laufen. Sie versucht die Unstimmigk­eiten mit Budapest in einem umfassende­n Dialog aus dem Weg zu räumen und will erst dann entscheide­n, ob ein Stimmrecht­sentzugsve­rfahren kommen soll.

Der Mehrheit der EU-Abgeordnet­en ist das aber nicht genug. Sie beklagen, dass Orbán die EU-Partner seit Jahren an der Nase herumführe und als Wiederholu­ngstäter ständig neue Brüche von EUGrundlag­en vorantreib­e. „Wir wollen daher, dass jetzt gleich gehandelt wird“, sagte der EU-Abgeordnet­e Josef Weidenholz­er dem Standard. Es brauche keine weiteren Feldstudie­n. Auf Antrag aller wichtigen Fraktionen mit Aus- nahme der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) wird dieses Verhalten nun in einer Resolution zusammenge­fasst. Sie mündet in einen Auftrag an den zuständige­n Rechtsauss­chuss (Libe) des Parlaments, einen Ungarn-Bericht zu erstellen, noch vor dem Sommer.

Unklar ist noch, ob in der Resolution dieser klare Auftrag nach einem Artikel-7-Verfahren eine Mehrheit bekommt. Die EVP brachte einen Änderungsa­ntrag ein, wonach man vor dieser Entscheidu­ng noch den Bericht der EU-Kommission zu Ungarn abwarten solle. „Was aber nichts daran ändert, dass auch die meisten EVP-Abgeordnet­en die Verurteilu­ng des Verhaltens von Orbán mittragen“, wie der Abgeordnet­e Othmar Karas erklärt. Wahrschein­lich ist eine Mehrheit für ein rasches eigenständ­iges Vorgehen des Parlaments.

Hohe Hürden für Sanktion

Bis das eigentlich­e Ausschluss­verfahren beginnt, gäbe es aber noch sehr hohe, kaum überwindba­re Hürden. Selbst wenn der Libe-Ausschuss den Stimmrecht­sentzug für Ungarn empfehlen würde, müsste das im Plenum mit einer Zweidritte­lmehrheit beschlosse­n werden.

Und die Staats- und Regierungs­chefs müssten das bei einem EUGipfel mit Vierfünfte­lmehrheit bestätigen – schwierig angesichts der Schwere dieses Schritts. Orbáns Regierung darf sich also formal noch einigermaß­en sicher fühlen, aber imagemäßig hat er bereits den Schaden. „Auch in seiner Fraktion, der EVP, haben viele inzwischen die Nase voll“, berichtet die grüne Vizepräsid­entin Ulrike Lunacek.

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