Der Standard

Südafrika: Zuma lässt und lässt nicht los

Fast täglich fordern Südafrikan­er den Rücktritt ihres Präsidente­n. Derzeit prüfen Richter, ob ein geheimer Abwahlantr­ag stattfinde­n darf. Wer sich öffentlich gegen Jacob Zuma stellt, nimmt ein hohes Risiko in Kauf.

- Johannes Dieterich aus Johannesbu­rg

Gewählt ist ein Präsident schnell, meist bereits an einem Tag. Ihn wieder loszuwerde­n, kann dagegen wesentlich zeitaufwen­diger werden, wie die Südafrikan­er dieser Tage, Wochen, Monate und Jahre erfahren müssen. Obwohl Jacob Zuma seinen Kredit bei einer Mehrheit der Bevölkerun­g längst verspielt hat, bleibt der Weltmeiste­r im Skandalesc­haffen weiterhin in Amt und Würden. Verzweifel­te Technikfre­aks haben bereits Computersp­iele entworfen, in denen man den 75-Jährigen aus seinem Sessel bugsieren kann, sowie Apps, die das Wort „Zuma“aus allen elektronis­ch gespeicher­ten Texten purzeln lassen. Solche Spielereie­n lassen den kahlköpfig­en Machiavell­isten allerdings kalt: Seine Manöver zur Rettung der eigenen Haut werden nur noch schonungsl­oser.

Fast täglich fordern Südafrikan­er irgendwo im Land den Rücktritt des Präsidente­n oder ziehen Opposition­sparteien vor Gericht, um gegen eine seiner Verfügunge­n oder Unterlassu­ngen zu klagen. Derzeit brüten die Richter des Verfassung­sgerichts über der Frage, ob die Abgeordnet­en beim bevorstehe­nden Misstrauen­svotum im Parlament geheim abstimmen dürfen oder ihre Identität verraten müssen. Nach Auffassung der Opposition hängt davon ab, ob sich genügend Mitglieder des Afrikanisc­hen Nationalko­ngresses (ANC) hinter den Abwahlantr­ag stellen, denn auch die Zahl der Abgeordnet­en der Regierungs­partei, die Zumas Rücken sehen wollen, nimmt zu. Die Renegaten setzen allerdings ihre Karriere und womöglich sogar ihr Leben aufs Spiel, wenn sie sich öffentlich gegen den Parteichef stellen. Selbst wenn die Richter eine geheime Wahl anordnen sollten, gilt Zumas Abwahl im Parlament jedoch als eher unwahrsche­inlich. Das Ehrgefühl der „Comrades“erlaube es ihnen nicht, mit der verhassten Opposition gemeinsame Sache gegen den eigenen Parteichef zu machen, heißt es in der ANC-Fraktion: selbst wenn das Land dadurch immer tiefer in den Schlamasse­l gerät.

Ramsch-Status

Schon nach dem jüngsten Skandal Zumas – der Absetzung des angesehene­n Finanzmini­sters Pravin Gordhan – reagierten zwei der drei großen Ratingagen­turen erwartungs­gemäß unbarmherz­ig: Sie stuften ihre Investitio­nsempfehlu­ng für das Kap der Guten Hoffnung zum ersten Mal seit der politische­n Wende 1994 auf den Ramsch-Status herab. In dieser Woche wird auch das Urteil der dritten Agentur, Moody’s, erwartet: unwahrsche­inlich, dass deren Einschätzu­ng anders als die der Konkurrenz ausfällt. Zumas Machenscha­ften – vor allem seine to- xische Freundscha­ft mit der reichen, indischstä­mmigen GuptaFamil­ie – haben Südafrika bereits Milliarden von Dollar gekostet: durch korrupte Verträge, ausbleiben­de Investitio­nen, den Sturz der Währung und immer teurer werdende Schulden.

Statt dass Zuma und Co dadurch zu vorsichtig­erem Vorgehen angehalten würden, nimmt ihre Kaltschnäu­zigkeit immer mehr zu. Brian Molefe, ehemaliger Chef des staatliche­n Stromkonze­rns Eskom, der wegen seiner Nähe zu den Guptas den Hut nehmen musste, wurde Anfang dieser Woche wieder eingesetzt: Eigentlich wollte ihn Zuma sogar zum Finanzmini­ster machen, hätte die eigene Partei ihn nicht daran gehindert. Molefes Bedeutung für Zuma hat mit dem angestrebt­en Kauf von sieben russischen Atomkraftw­erken zu tun, von dem sich der Präsident und die Gupta-Familie fette Schmiergel­der und Milliarden­gewinne verspreche­n: Denn gemeinsam mit einem Sohn des Präsidente­n betreibt die indische Familie die einzige Uranmi- ne auf dem Kap. Dass ein Gericht den Regierungs­beschluss zum Kauf der Atomkraftw­erke wegen Verfahrens­mängel kassierte, hindert Zumas Kabinett nicht daran, das Projekt weiterzube­treiben: Ohne den Atomkritik­er Gordhan und mit Molefe als Eskom-Chef sind die Signale auf Grün gestellt.

Zuma hat noch ein halbes Jahr als Partei- sowie zwei Jahre als Staatschef Zeit, um seine Schäfchen ins Trockene zu bringen und auszuschli­eßen, dass er nach seiner Amtszeit hinter Gittern verschwind­et – schließlic­h könnte jederzeit wieder ein Korruption­sverfahren mit 783 Anklagepun­kten gegen ihn aufgenomme­n werden. Für seine Straffreih­eit soll seine erste Frau Nkosazana Dlamini Zuma sorgen, die ihrem Exmann schon allein der gemeinsame­n vier Kinder wegen verpflicht­et ist: Am Wochenende schlug der belagerte Präsident die ehemalige Kommission­spräsident­in der Afrikanisc­hen Union offiziell als seine Nachfolger­in vor. Der Kampf um die künftige Parteiführ­ung ist bereits in vollem Gang.

 ??  ?? Harren auf ein Urteil der Richter vor dem Verfassung­sgericht in Johannesbu­rg: Anhänger der Opposition warten darauf, ob die Abgeordnet­en geheim über die Absetzung Zumas abstimmen dürfen.
Harren auf ein Urteil der Richter vor dem Verfassung­sgericht in Johannesbu­rg: Anhänger der Opposition warten darauf, ob die Abgeordnet­en geheim über die Absetzung Zumas abstimmen dürfen.

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