Schwedenbombe unter Sacherwürsteln
Trünkel versucht in stark abgespeckter Form einen Neustart – ohne eigene Produktion und ohne Filialen. Die Wiener Traditionsfleischerei vertraut dabei auf die Gastronomie. Das Marktumfeld ist für Einzelkämpfer harte Kost.
Wien – Die Wiener Produktion ist geschlossen, die Filialen sind weg, die Mitarbeiter gekündigt. Familie Trünkel wollte den Schlussstrich unter das Fleischereigewerbe ziehen. Zu stark war der Sog der Handelsriesen, die das Geschäft rund um Fleisch und Wurst mit eigenen Fabriken an sich reißen. Zu klein ist der Appetit der Kunden, die der Fleischeslust immer öfter entsagen. Familienintern soll es in der vierten Generation des Unternehmens ob all der Hürden nicht selten gehörig gekracht haben.
Doch viele Wiener Wirtshäuser wollten das Kapitel Trünkel nach 112 traditionsreichen Jahren nicht beendet wissen. Schließlich ging es ums Sacherwürstel, um das vor allem in der Ballsaison ein rechtes Griss herrscht. Die Stammkunden waren nicht bereit, darauf zu ver- zichten, ist Michael Trünkel überzeugt, der Vergleiche mit der dem Tod geweihten und frisch zum Leben erweckten Schwedenbombe nicht scheut. Also nimmt der Urenkel des Gründers neu Anlauf – diesmal freilich aller finanziellen Lasten entledigt und im Alleingang, ohne den Bruder Hans, der zuvor die Geschäfte geführt hatte.
100 Mitarbeiter und neun eigene Filialen hatten die Trünkels bis vor wenigen Monaten. Über Jahre waren die Umsätze gesunken und die Verluste gestiegen. Notwendige Investitionen in die Produktion standen an, die die Familie angesichts des unüberschaubaren Risikos nicht mehr stemmen wollte. Michael Trünkel versucht es künftig mit 25 Mitarbeitern und einer Auftragsfertigung. Bis zu 20 Millionen Euro hätte ihn eine eigene neue Produktion gekostet, rechnet er vor. Klüger war es daher aus sei- ner Sicht, das Fertigen an den Mitbewerber und Schinkenspezialisten Berger auszulagern, der seine Anlagen eben erst um fünf Millionen Euro erneuert habe und wie andere Betriebe mehr Auslastung suche. Unterstützung kommt zudem von Radatz und Hochreiter.
Ist, wo Trünkel draufsteht, überhaupt noch Trünkel drin? Auf jeden Fall, betont der Wiedereinsteiger: Die Rezepturen, die Technologie, Verpackung und Rohstoffe blieben nämlich die bewährten. Das sei vertraglich so abgesichert.
Kebab statt Streichwurst
Trünkel kauft 80 Prozent seines Fleisches in Österreich, Schweinernes etwa kommt vom Schlachthof Schuster aus dem Weinviertel. Kunden sind überwiegend Gastronomen: gestandene Wiener Beisln, Cafés und Heurige. Ziel ist es, den Sprung in die gehobene Küche zu schaffen. Für ein Viertel des Umsatzes von mehr als sieben Millionen Euro im Jahr soll der Lebensmittelhandel sorgen. Ob Würstel, Pasteten oder Streichwurst: Trünkel will sich auf Filetstückerln des einstigen Sortiments konzentrieren. Mit dabei bleibe daher auch der heiße Leberkäse für BP-Tankstellen. Eigene Filialen will Trünkel keine mehr. Bis auf zwei, die sich Wiesbauer holte, wurden fast alle zu türkischen Imbissstandln.
1300 Fleischhauer teilten Wien in den 1970er-Jahren untereinander auf. Heute sind es 136. Und weiterer Aderlass auf vielleicht 80 steht bevor, fürchtet Innungsmeister Erwin Fellner, der seine Kräfte, von Supermärkten umkreist, auf einen einzigen Standort bündelt. Überleben lasse sich nur mit Spezialitäten in Marktnischen. „Zwischen einem Skoda und einem Mercedes liegen Welten. Aber eine Knacker ist nun einmal eine Knacker.“Es liege daher an den Kunden, wie bei Wein die Unterschiede in der Herstellung zu erschmecken.
Österreichweit laufen 80 Prozent des Fleischverkaufs über große Ketten wie Rewe und Spar. Beide geben mit ihren in Summe elf eigenen Werken auch in der Produktion das Tempo vor. „Wer in dieser Preisspirale mitmacht, hat keine Chance“, sagt Fellner. Entscheidend für Trünkel werde, wie er sich gegen den Großhandel behaupte. Denn auch bei den Wirten ist der niedrige Preis Stammgast.