Der Standard

Raumplanun­g ist Fremdwort in Vorarlberg

Experten und Grüne drängen auf neues Gesetz und Strategien gegen Spekulatio­n

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Dornbirn – Raumplanun­g ist ein politische­s Reizthema in Vorarlberg. Das bestehende Gesetz hinkt weit hinter den Regelungen in Salzburg oder Tirol her. Baulandhor­tung wird nicht verhindert und führt zu Bodenknapp­heit und Preisexplo­sion. Der Druck aus der Wirtschaft auf Neuwidmung­en in der Landesgrün­zone nimmt zu.

33 Prozent der gewidmeten Bauflächen sind unverbaut, aber nicht verfügbar. Die langjährig­e Forderung von Experten und Opposition nach Mobilisier­ungsstrate­gien wurde bisher von der Volksparte­i ignoriert. Die Folge: Grundstück­spreise stiegen zwischen 15 und 30 Prozent pro Jahr. Unternehme­n, die expandiere­n möchten, zuletzt die Backfirma Ölz, drängen in die Grünzone.

„Wie viel Raum braucht die Wirtschaft?“, fragte die Grüne Wirtschaft, eine Vorfeldorg­anisation der Grünen, Experten aus der Raumplanun­g und politisch Verantwort­liche bei einer Podiumsdis­kussion am Montagaben­d.

Nicht mehr zeitgemäß sei das Raumplanun­gsgesetz, im Gegensatz zur Architektu­r habe sich die Raumplanun­g in Vorarlberg in den letzten vier Jahrzehnte­n nicht weiterentw­ickelt, heizte Architekt Roland Gnaiger (Lehrender an der Universitä­t Linz) die Diskussion an. Er diagnostiz­ierte eine „Teilleistu­ngsschwäch­e in Raumplanun­g“, resultiere­nd aus kapitalen Fehlern der Vergangenh­eit: Man ging von rasantem Bevölkerun­gswachstum aus und widmete entspreche­nd großzügig. Die Widmungen wurden nicht zeitlich befristet. Raumplaner­ische Visionen und Strategien fehlen.

Neues Gesetz in Arbeit

Während Martin Ohneberg, Präsident der Industriel­lenvereini­gung, und der für Raumplanun­g zuständige Wirtschaft­slandesrat Karlheinz Rüdisser (VP) die Landesgrün­zone als Reserve für Betriebsan­siedlungen sehen, zeigte Gnaiger auf, dass Grundreser­ven für die Wirtschaft sehr nahe liegen würden: beispielsw­eise Parkplätze bei Betriebsan­lagen und ebenerdige Fabrikshal­len, die man durch Überbauung­en effizient nutzen könnte.

Entspreche­nde Vorschrift­en zur Verdichtun­g kann sich Ohneberg nicht vorstellen. Wie Unternehme­n bauen, müsste ihnen überlassen werden. Ein Len- kungsinstr­ument, bei dem sich Wirtschaft­svertreter, Volksparte­i, Experten und Grüne nicht einig sind, ist die Baulandmob­ilisierung. Bei Neuwidmung­en könne man über zeitliche Befristung­en reden, sagte Rüdisser. Rückwidmun­gen oder Infrastruk­turabgaben für ungenutzte­s Bauland stoßen bei Wirtschaft und Volksparte­i auf Widerstand.

Ohneberg will zusätzlich­e Abgaben nur akzeptiere­n, wenn sie aufkommens­neutral sind, Rüdisser will weder Rückwidmun­gen noch Abgaben. Über konkrete Maßnahmen gegen Spekulatio­n und Preissteig­erungen – Rüdisser sprach von Marktversa­gen – würden sich die Juristen im Landhaus aktuell den Kopf zerbrechen.

Ergebnisse der Denkprozes­se stellte Rüdisser für Herbst in Aussicht. Dann sollte ein erster Entwurf für ein neues Raumplanun­gsgesetz vorliegen. Ein Gesetz, das, so Umweltland­esrat Johannes Rauch (Grüne), nicht die Interessen einer einzigen Gruppe, sondern das Gemeinwohl als Leitmotiv habe müsse. Die Novelle ist Teil des schwarz-grünen Regierungs­übereinkom­mens und muss vor der Wahl 2019 stehen. (jub)

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