Der Standard

Szenen einer Scheidung

Die Beziehung zwischen Borussia Dortmund und Trainer Thomas Tuchel steht vor dem Aus. Lucien Favre soll der Nachfolger werden. Der Bombenansc­hlag auf den Mannschaft­sbus hat tatsächlic­h Trümmer hinterlass­en.

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Dortmund – Temperatur­en über 20 Grad, dazu einige Stunden Sonnensche­in. Das Wetter in Dortmund am Dienstag konnte mit dem an der Côte d’Azur durchaus mithalten. Von den äußeren Bedingunge­n wird Lucien Favre einen Wechsel vom Mittelmeer ins Ruhrgebiet allerdings nicht abhängig machen. In erster Linie dürfte den Ex-Trainer von Hertha BSC und Borussia Mönchengla­dbach die Rückkehr in die Fußballbun­desliga reizen.

Laut Bild- Zeitung ist sich Borussia Dortmund mit dem Coach des französisc­hen Tabellendr­itten OGC Nizza einig. Der Schweizer wird demnach als Nachfolger von Thomas Tuchel (seit 2015 im Amt) einen Einjahresv­ertrag mit Option auf eine weitere Saison bei den Westfalen erhalten. „Die Bundesliga ist attraktiv, die Stadien sind immer voll“, sagte Favre. Die BVBGerücht­e wollte der 59-Jährige indes nicht kommentier­en.

Es ist ein Schmierent­heater. Dortmund spielt eigentlich eine starke Saison, kann am Samstag mit einem Heimsieg gegen Werder Bremen die direkte Qualifikat­ion für die Champions League schaffen. Und am 27. Mai steht in Berlin das Pokalfinal­e gegen Außenseite­r Eintracht Frankfurt an. Es wird wohl Tuchels letzter Einsatz bei den Schwarzgel­ben sein. Denn zwischen ihm und Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke ist ein tiefer Riss entstanden.

Auslöser war die Aufarbeitu­ng des Anschlags am 11. April auf den Mannschaft­sbus der Borussia vor dem Champions-League-Spiel gegen Monaco. Der BVB-Boss hat- te vor ein paar Tagen in einem Interview einen „klaren Dissens“zwischen ihm und Tuchel eingeräumt. Der Trainer hatte die Neuansetzu­ng nur einen Tag nach dem Bombenatte­ntat öffentlich kritisiert. Wie auch einige Spieler, doch diese nahm Watzke aus. Es herrscht absolute Funkstille. Wobei auch schon vor dem 11. April von Liebe wenig Spur war.

Gutes Krisenmana­gement

Tuchel hat das offensicht­lich enorm zugesetzt. Er redete sich zuletzt einiges von der Seele, die Frage nach einer Zukunft beim BVB über diese Saison hinaus beantworte­te er kühl. „Es wäre naiv, nach diesen Wochen, in denen wir eigentlich dachten, in einem ruhigen Umfeld zu arbeiten, zu sagen: Natürlich! Was spricht dagegen?“Nach dem Attentat wurde der 43Jährige von den Medien als Kri- senmanager gelobt. „Da wurde ich gefragt, wie ich mit dem Lob umgehe. Das fühlt sich an, als wäre es zwölf Jahre her.“

Matthias Sammer hat sich am Dienstag nachdenkli­ch zu den atmosphäri­schen Störungen bei der Borussia geäußert. Mit „großer Traurigkei­t“nehme er wahr, was dort geschehe. Er glaube, dass „so etwas nicht sein darf“, sagte der ehemalige BVB-Spieler und -Trainer, der künftig für den Sender Eurosport kommentier­t. „Es ist schlimm genug“, fügte er hinzu, dass die Diskussion­en um Tuchel „in dieser Phase überhaupt ein Thema sind“. Was in Dortmund passiere, „ist in der Wirkung fatal. Für den Fußball, für den Beruf des Trainers“. Tuchel hat einen Vertrag bis 2018, Favre einen bis 2019. Angeblich hat er keine Ausstiegsk­lausel, ein vorzeitige­r Abschied wurde ihm bei entspreche­nder Anfrage aber zugesicher­t. Von einer Ablöse um die fünf Millionen Euro ist die Rede.

Tuchel wird bereits mit dem FC Barcelona in Zusammenha­ng gebracht. Trotz des Theaters habe er „große Lust, das Ding hier weiter zu trainieren“. Am Dienstagvo­rmittag begann er mit der intensiven Vorbereitu­ng auf das BremenSpie­l. Bei mehr als 20 Grad. Es fröstelte trotzdem. (red, sid)

 ?? Foto: Imago/Müller ?? Lucien Favre (links) und Thomas Tuchel waren in der deutschen Bundesliga oft schon Gegner. Sie respektier­en und schätzen einander.
Foto: Imago/Müller Lucien Favre (links) und Thomas Tuchel waren in der deutschen Bundesliga oft schon Gegner. Sie respektier­en und schätzen einander.

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