Wer sich die Welt macht, wie sie ihm gefällt
Vom Trumpismus bis zum europäischen Populismus: Die Figur des Volkshelden ist wieder en vogue. Wissenschafter versuchen, die Polarisierungsfalle aufzudecken und Motive und Emotionen der Wähler rechtspopulistischer Parteien zu ergründen.
Wien – Es geht ein Gespenst um – nicht nur in Europa: das Gespenst des Populismus. Auf der ganzen Welt formiert sich derzeit eine populistische und autoritäre Internationale. Als ihr größter Lautsprecher sitzt nun im Weißen Haus Donald Trump, der auch nicht dafür bekannt ist, ein besonnener Staatsmann zu sein, und alles konterkariert, was man vom „Führer der freien Welt“eigentlich erwartet.
Was diese Persönlichkeiten und Gruppierungen eint, ist neben einem ausgeprägten Nationalismus ein tiefsitzendes Ressentiment gegenüber Errungenschaften der Aufklärung: die demokratischen Institutionen, das Bildungswesen, der Wissenschaftsbetrieb, die freie Presse. Wer den Fakten grundsätzlich misstraut, der beargwöhnt auch die Einrichtungen, die diese Fakten ermitteln.
Der deutsche Kulturwissenschafter Georg Seeßlen macht in seinem heuer erschienenen Essay Trump! Populismus als Politik diesen Antiintellektualismus als we- sentliches Element des politischen Populismus und somit als eine der Säulen von Trumps Erfolgsrezept aus: „Der Kern einer alten Emanzipationsgeschichte – ‚Wissen ist Macht‘ – hat sich in sein Gegenteil verwandelt: Um der Macht des Wissens entgegenzutreten, muss die Kraft des Nichtwissens entfaltet werden. Dieses Nichtwissen ist nicht einfach nur provinzielle Ignoranz oder mangelndes Interesse an Bildung, Kultur und Information, sondern vor allem die Leugnung einer Verbindlichkeit.“
Selfmademan Trump
Diese Strategie lässt sich einfach verknüpfen mit Trumps Selbstinszenierung als Selfmademan, der angeblich nichts mit Wirtschafts- und Bildungseliten zu tun hat und sein Herz und Hirn auf der Zunge trägt. Solch eine Vorgehensweise ist laut Seeßlen symptomatisch für die populistische wie popkulturelle Figur des Volkshelden: „Das Wissen erzeugt eine dem Aufstieg wie dem Erfolg zuwiderlaufende Ordnung. Daher muss der Volksheld im Western und anderswo sich nicht das Wis- sen aneignen, sondern demonstrieren, wie gut man außerhalb von ihm leben kann.“
Wer sich jedoch die Welt macht, wie sie ihm gefällt, und jegliche Fakten und Informationen der Wirklichkeit ignoriert, betreibe eigentlich gar keine Politik an sich mehr, sondern verfolge ein anderes Programm: „Politik heißt auf Wirklichkeiten reagieren, schlecht oder recht, Trumpismus dagegen heißt, sich eigene Wirklichkeiten zu errichten, jenseits der großen Erzählungen von Vernunft und Moral.“
Mit der Demokratie in der Krise beschäftigte sich wiederum vergangene Woche in Wien eine Tagung des Departments für Europapolitik und Demokratieforschung der Donau-Universität Krems in Bezug auf die jüngsten Entwicklungen in Frankreich. Zu den Teilnehmern gehörte auch Asiem El Difraoui, Senior Fellow am Insti- tut für Medien- und Kommunikationspolitik in Berlin, der sich mit den Aspekten Terror und Islam in der politischen Kultur Frankreichs beschäftigt.
Laut dem Politologen helfen sich beide radikalen Seiten derzeit sogar: „Das Kernprinzip ist immer dasselbe: Extremismen befeuern sich und bilden so eine Art Zweckallianz. Deshalb wird Le Pen den Jihadismus stark machen – durch soziale Abgrenzung und Polarisierung. Das ist in Frankreich besonders massiv, weil sich die Franzosen muslimischer Herkunft generell ausgegrenzt fühlen.“
Spaltung der Gesellschaft
Die andere radikale Seite versuche wiederum mit ihren Mitteln, die Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufzubringen: Das Ziel von Terrorattacken sei in erster Linie, die Gesellschaft zu spalten. In diese Polarisierungsfalle dürfe man aber nicht laufen. Aber was kann man dem entgegenhalten? El Difraoui rät: „Wir sollten dem natürlich etwas entgegenhalten, aber vor allem definieren, was unsere Vision von einem gerechten Europa und unseren Gesellschaften ist.“
Hier sei aber vor allem die Zivilgesellschaft gefragt, der Wissenschaft selbst komme die Aufgabe zu, die Propaganda solcher radikaler Gruppen zu dekonstruieren und deren Ideologien als auf falschen Prämissen basierend zu entlarven.
„Populisten in allen Bereichen haben sich eine geschlossene Weltsicht aufgebaut – sei es ein arischer Gründungsmythos, Le Pens Reinheit der französischen Kultur oder die Behauptung von Jihadisten, sie allein repräsentierten den wahren Islam“, sagt El Difraoui. „Es ist unsere Aufgabe als Wissenschafter, solche geschlossenen Weltbilder zu widerlegen: Es hat immer einen kulturellen Austausch gegeben.“
So stamme zum Beispiel die große französische Tradition des mittelalterlichen Troubadourgesangs ursprünglich aus dem arabischen Andalusien. Dennoch sei es bei vielen Menschen mit einfacher rationaler Überzeugungsarbeit längst nicht mehr getan. El Difraoui: „Da gibt es Menschen, die ein subjektives Gefühl der Ausgeschlossenheit haben, und wir haben uns keine Mühe gegeben, mit ihnen vernünftig zu kommunizieren.“
Die Wissenschaft könne aber auch dazu beitragen zu verstehen, wann, wo und warum man solche Personen verloren habe, die sich jetzt den verschiedenen Extremisten zuwenden. Hier seien zahlreiche Disziplinen – etwa die Politologie, die Psychologie oder die Geschichts- und die Kommunikationswissenschaft – gefragt.
Dabei müsse man sich in Zukunft auf die modernen Kommunikationskanäle konzentrieren: