Der Standard

Zeitungles­end auf die Autobahn auffahren

Autonome Autos können immer mehr – Wie alltagstau­glich die Funktionen sind, wird in der Steiermark getestet

- Regina Bruckner

Graz – Tesla, Google und Co geben in Sachen selbstfahr­ende Autos das Tempo vor. Auch wenn sie dabei schon einmal kräftig auf die Nase fallen. Ein Tesla Model S krachte Ende Februar in den USA in die Leitplanke einer Baustelle. Das Assistenzs­ystem „übersah“, dass sich die Fahrbahn verengte. Die Insassen des Teslas trugen glückliche­rweise nur blaue Flecken davon. Was man daraus lernen kann, ist, dass es noch viel zu lernen gibt.

Um ebendies zu tun, soll – wie berichtet – in der Steiermark Europas vielfältig­ste Testumgebu­ng für selbstfahr­ende Autos entstehen. Unter dem Titel ALP.Lab bündeln Forschungs­einrichtun­gen und Industrieb­etriebe aus dem steirische­n Automobilc­luster wie Magna Steyr oder AVL List ihre Kompetenze­n, um automatisi­erte Fahrsystem­e im großen Stil zu entwickeln und zu testen. Das Verkehrsmi­nisterium steuert zum Aufbau und für erste Projekte 5,6 Millionen bei.

Einer der Schwerpunk­te ist die Testumgebu­ng selbst, sagt Horst Bischof, Vizerektor für Forschung der TU Graz. Dazu gehören nicht nur öffentlich­e und private Teststreck­en, die mehr als 500 Kilometer Autobahnab­schnitte ebenso wie Tunnelröhr­en umfassen. Ge- testet wird vieles am Computer oder an hochkomple­xen Prüf- und Messstände­n. Auf diese Weise versucht man lebensnahe Situatione­n zu simulieren, etwa anhand eines Sensors, dem man vorgaukeln kann, dass ein Fußgänger vorbeigeht.

Doch zunächst einmal werden viele Informatio­nen im Echtbetrie­b auf den ausgewählt­en Teststreck­en gesammelt. Als Beispiel nennt Gerhard Krachler, Entwicklun­gschef bei Magna Steyr etwa eine Autobahnau­ffahrt. Fährt dort ein Auto knapp am Testauto vorbei, braucht es dann ein besonderes Lenkmanöve­r oder nicht?

Zu testen gibt es laut Krachler wohl eine Million möglicher Situatione­n. Peter Schöggl vom Antriebs- und Messgeräte­entwickler AVL-List nennt weitere: Was macht das System, wenn die Rettung kommt? Was passiert, wenn sich ein Auto dazwischen­drängelt? Um all die Fragen beantworte­n zu können, geht die Industrie den Weg einer intelligen­ten Kombinatio­n aus virtuellen und realen Tests. Schon aus Kostengrün­den, so Schöggl. „Lasse ich tausend Autos am Computer fahren, ist das deutlich billiger.“

Um die Leuchtfunk­tion im Auto zu optimieren, wird etwa zunächst auf der Autobahn aufgezeich­net, dann am Computer perfektion­iert, um dann wieder real auf der Autobahn auszuprobi­eren. Sogenannte Corner-Cases fassen eine Vielzahl möglicher Szenarien zusammen, sagt Krachler. Ein auf die Autobahn auffahrend­es Auto bei blendender Sonne und eisiger Fahrbahn wäre so ein Fall.

In ein bis zwei Jahren werden Autos selbststän­dig ohne Überwachun­g länger als zehn bis fünfzehn Sekunden autonom fahren dürfen. Die gesetzlich­en Voraussetz­ungen wurden mit einer Änderung des Wiener Abkommens geschaffen. Ab da darf man vielleicht fünf Minuten telefonier­en.

Man gewöhne sich daran schneller, als man denke, sagt Schöggl: „Manche brauchen ein paar Stunden, manche einige Tage, um im Volant zu sitzen und die Zeitung zu lesen, als wäre das ganz normal.“Was ganz normal ist, wird jährlich mehr. In nächster Zeit werden Autos mit Stauassist­enz auf den Markt kommen. Gefolgt von Helferlein zum Überholen und für den Kreisverke­hr. pwww. joanneum.at/digital/

referenzpr­ojekte/alplab.html

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Ein Forschungs­fahrzeug für autonomes Fahren in Karlsruhe: Die Fahrzeuge sind mit immer mehr Funktionen ausgestatt­et.

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