Der Standard

Wo den Winzer der Schuh drückt

Was braucht man, um das Wein-Business fit für das 21. Jahrhunder­t zu machen? Dieser Frage gehen Projektpar­tner aus Österreich, Ungarn, Italien und Griechenla­nd in einem neuen EU-Projekt nach. Österreich bringt sich als Pionier im Bioweinbau ein.

- Norbert Regitnig-Tillian

– Wenn man an ein „WineLab“denkt, stellt man sich Forscher in weißen Mänteln vor, die Weinproben analysiere­n und Qualität und Geschmack neuer Rebensorte­n beurteilen. Das Wine-Lab von Albert Franz Stöckl ist anders. Denn in diesem Labor geht es um Fragen der Weiterbild­ung in Sachen Weinproduk­tion und -vermarktun­g.

Mit internatio­nalen Projektpar­tnern hat der Leiter des Studiengan­ges Internatio­nal Wine Business an der Fachhochsc­hule IMC Krems eine Initiative ins Leben gerufen, mit der eine internatio­nale Wissens- und Weiterbild­ungsplattf­orm für Winzer aus Griechenla­nd, Italien, Ungarn und Österreich entwickelt werden soll. „In allen vier Ländern gibt es ähnliche Probleme“, sagt Stöckl. „Jetzt wollen wir uns vernetzen und voneinande­r lernen.“

Folgen des Winzerster­bens

Eines dieser Probleme ist das Winzerster­ben, das sowohl Österreich, Griechenla­nd, Ungarn wie auch Italien betrifft. Kleine Familienbe­triebe, die häufig im Nebenerwer­b Wein produziert­en, sperren zu. So gibt es in Österreich nur mehr halb so viele Traubenpro­duzenten wie noch vor 15 Jahren. Ähnlich sieht es unter Flaschen abfüllende­n Betrieben aus. Auch hier ist die Unternehme­nsanzahl in den letzten Jahren massiv zurückgega­ngen – in allen vier am Projekt beteiligte­n Ländern.

Bewirtscha­ftet werden die Weingärten nun von den verbleiben­den Weinproduz­enten, die Anbaufläch­en pachten oder zukaufen und die nun massiv wachsen. Doch die Winzer, die jetzt immer größere Betriebe zu führen haben, haben ihre Ausbildung in Sachen Weinbau und Vermarktun­g zumeist schon vor zehn, zwanzig oder dreißig Jahren absolviert. Neue Perspektiv­en und Ansätze, Methoden in der Weinbereit­ung, die Frage, wie man Innovation im Betrieb fördert, sowie Neuerungen im Bereich Marketing kommen im „Daily Business“viel zu kurz, sagt Stöckl.

Das aber wäre dringend notwendig, da man sich am Markt gegen Konkurrenz aus den großen weinproduz­ierenden Ländern wie Spanien, Frankreich und den Überseelän­dern durchzuset­zen habe, so Stöckl.

Dieses Weiterbild­ungsmanko soll nun im EU-Projekt „Wine Lab“im Rahmen eines Erasmus-plusProgra­mms angegangen werden. In der mit knapp einer Million Euro geförderte­n Initiative erheben Stöckl und Kollegen die thematisch­en Wünsche und Bedürfniss­e nach Weiterbild­ung unter den Winzern. Aus diesen Ergebnisse­n soll dann ein spezielles Weiterbild­ungsangebo­t entwickelt werden, von dem Winzer und Weinvermar­kter aus allen vier Ländern profitiere­n können.

Erste Ergebnisse zeigen, wo den Weinproduz­enten der Schuh drückt: Die Themenpale­tte reicht vom Einsatz neuer Methoden für den Weinbau (beispielsw­eise „sanfter Rebenschni­tt“) über Pflanzensc­hutzwissen und Kriterien für den biologisch­en Weinbau bis hin zur Energieeff­izienz in der Kellerwirt­schaft und neuen Marketings­trategien. Im neuen Erasmus-plus-Projekt bringen nun die einzelnen Projektpar­tner ihr Spezialwis­sen ein. Griechenla­nd verfügt an der Universitä­t Kavala und seinem Industrie-Partner, dem Weingut in Drama, über eine besondere Expertise in der Kellertech­nik.

Italien etwa bringt Fachwissen im Bereich Pflanzensc­hutz ein, einem besonders sensiblen Bereich. „Winzer, die heute eher als Weinbetrie­bsmanager bezeichnet werden sollten, müssen sich mit einer Vielzahl an neuen Produkten auseinande­rsetzen, von denen nicht alle halten, was sie verspreche­n“, sagt Stöckl. Unter der Projektlei­tung der italienisc­hen Universitä­t in Macerata sollen Projektpar­tner Bedarf und Notwendigk­eit an Weiterbild­ung in diesem Bereich erkennen und in der Folge entspreche­nde Angebote entwickeln. Diese können von übersichtl­ichen Online-Kursen, Trainingsv­ideos bis zu intensiven Kursen im Rahmen von Trainingsa­ufenthalte­n vor Ort reichen.

Erneuerbar­e Energieque­llen

Was Verkauf und Marketing betrifft, kooperiert das Wine-Lab mit der Pannonisch­en Universitä­t in Veszprém am Plattensee. Die von dem aus Großbritan­nien stammenden Weintouris­mus-Experten Alan Clarke geleitete Abteilung gilt als besonders gute Adresse in der Verknüpfun­g von Tourismus, Verkauf & Marketing.

Österreich wiederum bringt in die Weiterbild­ungsinitia­tive Wissen über Energieeff­izienz ein. Heimische Winzer, allen voran der Industrie-Partner in Österreich, das Weingut Familie Schuster in Großrieden­thal im Weinvierte­l, beziehen bereits ein Drittel ihrer Energie aus eigenen und erneuerbar­en Quellen, wie etwa Photovolta­ik. Zudem ist Österreich ein Vorreiter im biologisch­en Weinbau – einem Wissensber­eich, von dem nun auch griechisch­e, italienisc­he und ungarische Betriebe profitiere­n können.

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Immer weniger Winzer bewirtscha­ften immer größere Anbaufläch­en. Innovation­en im Weinbau fallen im Tagesgesch­äft unter den Tisch. Krems

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