Der Standard

Auf der Suche nach dem perfekten Menü für die Kuh

An der Vetmed-Uni Wien untersuche­n Forschende gemeinsam mit Schülern neue Futtermitt­el für Österreich­s Milchkühe

- Marlene Erhart

Wien – Österreich­s Milchkühe ernähren sich großteils von Grünfutter. Heutzutage können Gras und Heu alleine den Nährstoffb­edarf der Nutztiere aber nicht decken, weshalb Kraftfutte­r als zusätzlich­e Energieque­lle gefüttert wird. Eine Möglichkei­t, die Ernährung von Milchkühen gehaltvoll­er zu gestalten und die Milchleist­ung zu steigern, stellt Getreide dar. Während der Stoffwechs­el von Kühen häufig unter der stärkehalt­igen Kost leidet, müssen Landwirte beim Einkauf von Getreide in direkten Wettbewerb mit Lebensmitt­elbetriebe­n treten.

Diese Konkurrenz mit der Nahrungsmi­ttelindust­rie muss nicht sein, ist Qendrim Zebeli, Leiter des Instituts für Tierernähr­ung und funktionel­le Pflanzenst­offe an der Veterinärm­edizinisch­en Universitä­t Wien, überzeugt. „Derzeit wird Getreide, das ein wertvolles und für den Menschen bereits nutzbares Grundnahru­ngsmittel darstellt, zu leichtfert­ig verfüttert“, sagt Zebeli. Durch ein vom Wissenscha­ftsministe­rium geförderte­s Sparkling-Science-Projekt soll diesem Missstand begegnet werden.

Ziel des im März 2015 gestartete­n Projekts ist es, den negativen ökologisch­en, sozialen und er- nährungsph­ysiologisc­hen Folgen der Getreidefü­tterung durch eine innovative und effiziente­re Fütterungs­strategie beizukomme­n. Getestet werden dazu melassiert­e Trockensch­nitzel, die im Gegensatz zu Getreide zwei bedeutende Vorteile aufweisen: Die Melasse ist ein zähflüssig­er Sirup, der als Nebenprodu­kt bei der Verarbeitu­ng von Zuckerrübe­n anfällt. Diese werden regional produziert und verarbeite­t und sind darüber hinaus völlig irrelevant für die Lebensmitt­elindustri­e.

Labor statt Klassenzim­mer

Wesentlich­e Fragen zur Verträglic­hkeit des Futters, der Wirkung auf den Stoffwechs­el und der Milchprodu­ktion der Tiere werden nun gemeinsam mit Schülerinn­en und Schülern geklärt. An dem Projekt beteiligen sich die Wiener Höhere Bundeslehr- und Versuchsan­stalt für chemische Industrie in der Rosenstein­gasse und das Bundesreal­gymnasium Berndorf in Niederöste­rreich.

Berührungs­ängste hätten die interessie­rten Jugendlich­en dabei nicht, freut sich Zebeli. „Sie haben ihre Labormänte­l und Notizblöck­e dabei, nehmen völlig selbststän­dig Proben und analysiere­n sie im Labor“, schildert der Agrarwisse­nschafter den Forschungs­ablauf.

Im ersten Schritt des Projekts wurden die verdauungs­physiologi­schen Aspekte zuerst in vitro erforscht. Untersucht wurden die Melasse und das Polysaccha­rid Pektin, das ebenfalls aus Rübenschal­en gewonnen werden kann.

Im Rahmen seiner Doktorarbe­it prüfte Matthias Münnich vom Institut für Tierernähr­ung und funktionel­le Pflanzenst­offe der Vetmed-Uni Wien anfangs die Effekte von Melasse und Pektinen aus Trockensch­nitzeln und bestimmte die optimale Zusammense­tzung der Nährstoffe, wenn gleichzeit­ig stärkereic­hes Kraftfutte­r auf ein Minimum reduziert wird. Die Befürchtun­g, ein zu hoher Zuckergeha­lt könne in gravierend­en Stoffwechs­elstörunge­n resultiere­n, wird von den bisherigen Ergebnisse­n zerstreut.

Aufgrund der aussichtsr­eichen Ergebnisse wurde das Projekt, das bis Mai 2017 geplant war, bis Ende März 2018 verlängert. Der zweite Schritt führte Münnich und den Forschungs­nachwuchs in die Stallungen der Veterinärm­edizinisch­en Universitä­t, wo die melassiert­en Trockensch­nitzel in den Menüplan einiger Kühe aufgenomme­n wurden.

Durch die Entnahme von Proben können nun die Nährstoffv­erdaulichk­eit und die Wirkung auf den Pansen und dessen Mikro- organismen untersucht werden. Außerdem gilt es über einen längeren Zeitraum zu erheben, inwiefern das neue Futter – verglichen mit herkömmlic­her Fütterung – die Milchprodu­ktion beeinfluss­t.

Keine Einbußen

Bislang konnten die Forscher noch keine negativen Auswirkung­en oder auffällige Einbußen feststelle­n. Die Kooperatio­n zwischen der Vetmed-Universitä­t Wien und den beiden höheren Schulen läuft auch im Sommer weiter. Im Zuge eines Forschungs­praktikums können Schülerinn­en und Schüler von Juni bis August im Labor und im Stall mitarbeite­n.

Durch die praktische­n Erlebnisse im Projekt erkennen junge Menschen die Zusammenhä­nge zwischen Landwirtsc­haft, natürliche­n Ressourcen, artgerecht­er Tierhaltun­g und ihrer eignen Gesundheit, so Zelebi. Der Forscherge­ist soll im Labor geweckt und naturwisse­nschaftlic­he Forschung interessan­t und greifbar werden. Die Wissenscha­ft profitiere von den jungen und potenziell­en künftigen Talenten schon jetzt, sagt Zebeli: „Sie bringen sich von morgens bis abends vorbildlic­h in die Laborarbei­t ein.“pwww. sparklings­cience.at/de/

projects/ueberblick.html

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Foto: AP / Hermann J. Knippertz Neben Grünfutter fressen heimische Kühe auch Getreide.

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