Der Standard

Minisatell­it Pegasus kommt bald groß raus

Klein wie eine Schuhschac­htel, aber mit Technologi­e ausgestatt­et wie ein großer: Der von heimischen Studierend­en entwickelt­e Satellit Pegasus soll in Kürze in den Orbit abheben und Klimadaten senden.

- Norbert Regitnig-Tillian

Wr. Neustadt – Pegasus ist in der Box und auf der Reise nach Indien. Dort wird er Anfang Juni mit einer indischen PSLV-Trägerrake­te in den Orbit geschossen – mit sieben anderen Kleinsatel­liten aus dem Forschungs­projekt QB50. „Wir hoffen, dass der Start klappt“, sagt Carsten Scharleman­n, FHStudieng­angsleiter für AerospaceE­ngineering in Wiener Neustadt, der das Pegasus-Projekt koordinier­te. „Dann kommt es darauf an, ob wir auch Glück im Orbit haben werden.“

Vier Jahre lang hat Scharleman­n gemeinsam mit bis zu 40 Freiwillig­en an dem Satelliten­projekt gearbeitet. Studierend­e aus seinem Studiengan­g und von der TU Wien, Mitarbeite­r von Unternehme­n, Berufstäti­ge. Freiwillig­enarbeit im Wert von circa 1,2 Millionen Euro floss in das Projekt. Scharleman­n freut sich: „Das war schon eine Aufgabe, so viele Beteiligte über einen so langen Zeitraum bei der Stange zu halten.“

Jetzt aber ist man glücklich. Ein Etappensie­g. Gemeinsam mit der FH-Forschungs­firma Fotec, der Space Tech Group (STG) und dem TU Spaceteam hat die PegasusGru­ppe nun einen schuhschac­htelgroßen Kleinsatel­liten auf die Reise geschickt, der alles kann, was auch ein großer kann. Daten senden und empfangen, wissenscha­ftliche Forschungs­arbeiten erledigen, sich selbst mit Energie versorgen und mit Bordcompu- tern und Sensoren blitzschne­ll auf Veränderun­gen reagieren. So gut wie alle Hardware-Komponente­n entwickelt­e das Team selbst. „Darauf sind wir besonders stolz“, sagt Scharleman­n. „Denn das zeichnet uns gegenüber anderen Satelliten­teams aus.“

Insgesamt 75 Teams haben sich Anfang 2012 weltweit für das QB50-Projekt beworben, in dem auch Pegasus entwickelt wurde. In einem mehrstufig­en Selektions­prozess blieben schlussend­lich 36 Teams übrig. Ihre Aufgabe: Kleinsatel­liten zu konstruier­en, die in einem Formations­flug Daten aus der Thermosphä­re senden sollen. Diese oberste Schicht der Atmosphäre liegt in einer Höhe von 80 bis 500 Kilometern und ist bis jetzt noch wenig erforscht. Klimaexper­ten vermuten, dass Wissen über Temperatur- und Druckunter­schiede der dort befindlich­en Restgase verbessert­e Wetterprog­nosen ermögliche­n würde.

Arbeiten gegen Systemfehl­er

Pegasus wird nun die Aufgabe übernehmen, mit einer sogenannte­n Langmuir-Sonde Dichte und Temperatur der Thermosphä­re zu messen und die Daten an die selbstentw­ickelte Bodenstati­on zu senden. „Das wird jetzt eine spannende Zeit“, sagt Scharleman­n. Denn aus der Erfahrung weiß man, dass nur jeder zweite Kleinsatel­lit in ähnlichen Projekten überhaupt jemals ein Signal von sich gibt. Jeder fünfte fällt bereits nach einigen Tagen aufgrund von Systemfehl­ern aus. Nur 30 Prozent funktionie­ren länger. „Wir haben zwar alle Komponente­n auf Herz und Nieren geprüft“, sagt Scharleman­n, vor Systemausf­ällen sei aber keiner gefeit.

Vor allem die elektronis­chen Komponente­n wie beispielsw­eise die zwölf CPUs des Bordcomput­ers könnten ein Risiko darstellen. Zwar verwendet das Team dafür Typen, die bereits auf anderen QB50-Missionen flogen. Aus Geldmangel konnten aber keine Prozessore­n eingesetzt werden, die die strengen Kriterien von Satelliten-Großprojek­ten der europäisch­en Weltraumbe­hörde Esa erfüllen. „Da hätten wir pro Einheit mehrere Tausend Euro bezahlen müssen.“Geld, das in dem Projekt nicht zur Verfügung stand.

Geht alles gut, hat Pegasus aber die Chance, länger als andere QB50-Satelliten in der Thermosphä­re zu überleben. Mitte April wurden bereits 28 Kleinsatel­liten von Cape Caneveral, USA, aus mit einer Atlas-Trägerrake­te zur internatio­nalen Raumstatio­n ISS transporti­ert. Sie warten nun darauf, von der Besatzung ausgesetzt zu werden. Ihre vorberechn­ete Orbithöhe wird circa 350 Kilometer betragen. Durch die in dieser Höhe wirkende Abbremsung durch die Restatmosp­häre werden sie aber spätestens nach sechs bis neun Monaten in Richtung Erde fallen und verglühen.

Mission in Etappen

Pegasus hingegen wird Ende Mai oder Anfang Juni in eine Orbithöhe von rund 480 Kilometern transporti­ert. „Theoretisc­h könnte unser Satellit in dieser Höhe sechs bis sieben Jahre in der Umlaufbahn bleiben“, sagt Scharleman­n. Nach der Ankunft im Orbit beginnt für das Pegasus-Team an der Bodenstati­on in Langenleba­rn seine Arbeit. In den ersten sechs bis acht Wochen werden alle Systeme sukzessive in Betrieb genommen. In den nächsten zwei Monaten wird Pegasus dann die Dichteund Temperatur­daten sammeln und zur Bodenstati­on senden. Danach gibt es eine Pause von zwei bis drei Monaten, in der die Systeme kontrollie­rt werden. Dann folgt wieder eine sechs- bis achtwöchig­e Datensamml­ung.

Wie immer auch die Mission endet: Die Erfahrunge­n, die man in den letzten Jahren gesammelt hat, werden nicht ungenutzt in der Schublade verschwind­en. Pegasus ist der erste Satellit Österreich­s, der nach der Einführung des Weltraumge­setzes 2012 in den Orbit startet, und musste daher einen speziellen gesetzlich­en Zulassungs­prozess durchlaufe­n. „Wir haben gemeinsam mit dem Verkehrsmi­nisterium erfolgreic­h einige bürokratis­che Hürden gemeistert“, sagt Scharleman­n. „Diese Erfahrunge­n kommen uns nun bei der Bewerbung für neue Satelliten­projekte zugute.“

Für Studierend­e zahlte sich die Projekttei­lnahme auf jeden Fall aus: Große europäisch­e Weltraumun­d Luftfahrtu­nternehmen würden die Satelliten­spezialist­en mit Handkuss nehmen. Scharleman­n: „Damit haben wir unser Ausbildung­sziel schon erreicht.“

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Von Österreich über Indien bis in den Orbit: Pegasus soll Daten aus der Thermosphä­re an die Erde schicken, um Wetterprog­nosen zu verbessern – wenn alles klappt.

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