Der Standard

Müllentsor­gung in unseren Zellen

Manuel Alonso y Adell hat den molekulare­n Abbau defekter Zellteile erforscht

- Doris Griesser

Wien – Manuel Alonso y Adell ist Experte für das Abfallwirt­schaftssys­tem im menschlich­en Organismus. „Müllentsor­gung“, erläutert der 30-jährige Zellbiolog­e, „hält den Körper gesund und erfolgt permanent in unseren Zellen.“Ausgedient­e oder defekte Zellteile werden in den sogenannte­n Lysosomen abgebaut und „recycelt“. Um diesen Prozess in Gang zu setzen und zu halten, bedarf es einer molekulare­n Maschine, die von den Forschern ESCRT genannt wird. Sie sorgt dafür, dass die nicht mehr gebrauchte­n oder fehlerhaft­en Membranpro­teine ins Lysosom transporti­ert werden und schließlic­h mit ihm verschmelz­en.

„Die ESCRT-Maschineri­e kann Zellmembra­nen verformen und zerschneid­en“, sagt Alonso. „Sie ist deshalb nicht nur für den Abbau von defekten Zellteilen und die Reparatur von Zellmembra­nen unentbehrl­ich, sondern auch für alle biologisch­en Prozesse, in denen eine Zellverfor­mung stattfinde­t – wie etwa bei der Zellteilun­g.“Aber auch bei schweren Erkrankung­en wie etwa Krebs, Neurodegen­eration oder HIV spielt ESCRT eine zentrale Rolle. Wenn diese molekulare Maschine nicht funktionie­rt, können beispielsw­eise im Fall von HIV die Retroviren nicht aus den Zellen ausgeschle­ust werden, wodurch die Krankheit ausgelöst wird.

In seiner mit dem „Award of Excellence“des Wissenscha­ftsministe­riums ausgezeich­neten Dissertati­on hat Alonso untersucht, welche Bestandtei­le der ESCRTMasch­ine für die Membranver­formung wichtig sind. „Einer ihrer Hauptbesta­ndteile und zugleich ihr ‚Motor‘ ist VPS4“, so der Forscher. Durch genetische, biochemisc­he Experiment­e und 3D-Elektronen­tomografie in der Bäckerhefe konnte er zeigen, dass das Enzym VPS4 nur mit zwei anderen ESCRT-Komponente­n interagier­en muss, um Membrandef­ormationen voranzutre­iben.

Seit vergangene­m Jahr widmet sich Manuel Alonso allerdings einer ganz neuen Forschungs­auf- gabe. Als Postdoc am IMBA, dem Institut für Molekulare Biotechnol­ogie der Akademie der Wissenscha­ften in Wien, untersucht er jetzt die Chromosome­nfaltung während der Zellteilun­g. Eine hochkomple­xe Angelegenh­eit, immerhin befinden sich im winzigen Kern jeder menschlich­en Zelle an die zwei Meter aufgewicke­lter DNA. Ein paar Jahre wird er sich damit noch beschäftig­en. Danach ist für ihn sein weiterer Karriereve­rlauf offen: „Ich bin da sehr flexibel und könnte mir sogar vorstellen, in die Pharmaindu­strie zu gehen, wenn sich im akademisch­en Bereich für mich keine Türen auftun.“

Die auf eine gewisse Abenteuerl­ust verweisend­e Nonchalanc­e, die der gebürtige Tiroler in Hinblick auf seine berufliche Zukunft an den Tag legt, ist möglicherw­eise ein Erbstück des spanischen Großvaters. Der tourte mit seiner Band durch ganz Europa – bis er sich in Manuels Oma verliebte.

Und noch etwas hat El Cantante Alonso y Adell seinem Enkel mitgegeben: die Liebe zur Musik. „Fast hätte ich das Konservato­rium besucht“, sagt Manuel Alonso lachend. Daraus wurde zugunsten der Naturwisse­nschaft zwar nichts, aber das Klavierspi­elen gehört nach wie vor zu seinen großen Leidenscha­ften. Insbesonde­re Mozart fasziniert ihn: „Bei ihm muss man sich wie in der Naturwisse­nschaft auf die Details einlassen und sehr genau spielen.“

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Manuel Alonso y Adell ist Postdoc am Wiener Institut für Molekulare Biotechnol­ogie.

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