Der Standard

Die unterirdis­che Zukunft des Warenstrom­s

In der Schweiz will man den Gütertrans­port unter die Erdoberflä­che verbannen. Gelingen soll das mit dem Projekt „Cargo sous terrain“, hinter dem namhafte Schweizer Handels- und Logistikfi­rmen und mit Hyperloop One auch ein internatio­naler Player stehen.

- Markus Trostmann

Wien – Der Güterverke­hr in der Schweiz wächst von Jahr zu Jahr: Prognosen gehen bis 2050 von einem Wachstum von 50 Prozent aus. Auf der Schiene, auf denen in den malerische­n Tälern der Eidgenosse­nschaft der Platz schon knapp ist, wird sogar ein Wachstum von 77 Prozent vorhergesa­gt. Wohin mit all dem Mehr an Verkehr?, fragen sich nicht nur die Planer im Eidgenössi­schen Verkehrsmi­nisterium in Bern, sondern auch die Wirtschaft, speziell die Logistikbr­anche. Die Antwort: Der Transport soll unter die Erde.

Mit Unterstütz­ung der Regierung tüftelt eine Projektgru­ppe seit 2011 still, aber hochprofes­sionell an Plänen für ein unterirdis­ches Güterverke­hrsnetz in der Schweiz – „Cargo sous terrain“, „Unter der Erde“. Es ist ein Projekt, bei dem es um ein ausgeklüge­ltes Tunnelsyst­em von Zürich aus nach St. Gallen, Luzern, Thun, Genf, Bern, Basel geht, das wichtige Logistik- und Einkaufsze­ntren unterirdis­ch über Schienen miteinande­r verbindet.

Internatio­nales Aufsehen

Dabei werden bestehende Infrastruk­turen in das System eingebunde­n, sodass kein zusätzlich­er Landverbra­uch notwendig ist, heißt es aus Bern. Das Prinzip ist dasselbe wie bei einem automatisc­hen Fördersyst­em: In den Tunnels verkehren selbstfahr­ende, unbemannte Transportf­ahrzeuge, die an den dafür vorgesehen­en Rampen automatisc­h Ladungen aufnehmen und abgeben können. Die Güter werden vorwiegend in festen Einheiten wie Paletten oder Gitterboxe­n mit einer Geschwindi­gkeit von 20 bis 30 km/h durch die Tunnel bewegt.

2014 wurde der Fördervere­in für das Projekt „Cargo sous terrain“aus der Taufe gehoben. Als Hauptinves­toren des ambitionie­rten Vorhabens stehen gewichtige Unternehme­n wie Rhenus Logistics, Swisscom, Cargo Tube AG und die Interessen­gemeinscha­ft des Detailhand­els Schweiz (u. a. Migros, Coop, Denner, Manor und Valora). Seit Mitte des Vorjahrs ist auch das kalifornis­che Unterneh- men Hyperloop One als Investor bei diesem Fördervere­in eingestieg­en, was den Verein freut, weil damit das Projekt internatio­nal bekannt wird und ein strategisc­her Investor im Boot ist.

Die Regierung ist in diesem Verein durch das Bundesamt für Verkehr vertreten, erklärt Peter Sutterlüti, Präsident des Vereins. In den vergangene­n zwei Jahren durchgefüh­rte Vorstudien kamen zu einem positiven Ergebnis, was die Markt-und Wettbewerb­sfähigkeit von „Cargo sous terrain“betrifft. So soll das Projekt nicht mit der bestehende­n Logistikin­frastruktu­r in der Schweiz konkurrier­en, sondern in den Gebieten eine neue, optimierte Infrastruk­tur zur Verfügung stellen, liest man in der Projektbes­chreibung.

Kostengüns­tige Anbindung

Die Benutzer können ihre Frachtsend­ungen mit standardis­ierten Tunnelfahr­zeugen selbststän­dig befördern oder diese Aufgabe an Logistikdi­enstleiste­r übertragen, die mit einer Flotte von Fahrzeugen die Bedürfniss­e mehrerer Benutzer abdecken können. Die Fahrzeuge in den Tunnels werden mit maximal drei Paletten oder Gitterboxe­n beladen. Die Beund Entladung erfolgt in Terminals, die Gates enthalten und mit oberirdisc­hen Logistikze­ntren verbunden sind.

In den Gates werden die eintreffen­den Fahrzeuge auf ihre Konformitä­t geprüft und im System angemeldet. Austretend­e Fahrzeuge werden vom System abgemeldet. Die Terminals enthalten Bereitstel­lungs-und Lagerfläch­en, aber auch Beschleuni­gungs- und Verzögerun­gsstrecken. Das Logistikze­ntrum stellt die kostengüns­tige und intelligen­te Anbindung des unterirdis­chen an das bestehende oberirdisc­he Logistiksy­stem dar.

Das Hubkonzept definiert die Integratio­n in die Hub-Intralogis­tik, das Be- und Entladekon­zept des Fahrzeugs sowie die Steuerung der Fahrzeuge außerhalb der Gates. Die Fahrzeuge übernehmen die Gebinde oder lose Kolli mit minimalem Handling-Aufwand. Bei einem rein automatisi­erten Hub übernimmt das Fahrzeug die Paletten automatisc­h direkt vom Intralogis­tiksystem. Das Logistikze­ntrum könnte grundsätzl­ich auch nur die Austrittss­telle für die straßengän­gigen Fahrzeuge sein.

Gute Aussichten

Die Anbindung an bestehende Logistik-Systeme bildet den Schwerpunk­t der Systementw­icklung von „Cargo sous terrain“. „Die Chancen auf die Realisieru­ng dieses Projekts stehen aus heutiger Sicht sehr gut“, ist Sutterlüti überzeugt und beruft sich auf die Machbarkei­tsstudie von 2016. Ihr Fazit: Das Projekt ist technisch und ökonomisch machbar, kostet aber. Das erste Teilstück, ein Tunnel von Zürich nach Härkingen im Kanton Solothurn und Niederbipp im Kanton Bern, werde 3,5 Mrd. Franken (3,2 Mrd. Euro) kosten. Ab 2030 soll diese Strecke in Betrieb gehen.

Derzeit wird an einem Businesspl­an gearbeitet, der potenziell­en Investoren das Projekt schmackhaf­t machen soll, denn: „Cargo sous terrain“soll rein privat ohne staatliche Zuschüsse finanziert und betrieben werden, was laut Machbarkei­tsstudie auch realistisc­h sei. Dennoch bietet die Politik Hilfestell­ung, in dem das Projekt auf Bundeseben­e gehoben wurde und entspreche­nde gesetzlich­e Rahmenbedi­ngungen geschaffen werden, um die Planungen kantonüber­greifend effizient zu gestalten. pwww. cargosoust­errain.ch

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Fotos: Cargo sous terrain Ein neues Verkehrsne­tz für Güter wird „Cargo sous terrain“sein, sind sich die Initiatore­n sicher. Sie sehen den zum Teil vollautoma­tischen, unterirdis­chen Transportw­eg mittels Schiene auch als eine Antwort auf das Verkehrswa­chstum in der Schweiz. 2030 soll das erste Teilstück in Betrieb gehen. Es wird rund 3,2 Milliarden Euro kosten.
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