Der Standard

„Du kannst eine Vorstellun­g killen“

Am Freitag feiert der Jahrhunder­tsänger Plácido Domingo an der Wiener Staatsoper mit einer Gala sein 50-Jahr-Bühnenjubi­läum. Ein Gespräch über Donald Trump und die Lust am Dirigieren.

- Ljubiša Tošić

Wien – Ein XXL-Projekt, das ihm am Herzen lag, musste verschoben werden. Im Juni hätte im Wiener Allianz-Stadion Verdis Aida – dirigiert von Plácido Domingo – in aller Open-Air-Pracht erstrahlen sollen. Der Termin ist aber nun der 9. Juni 2018, und der im Laufe seiner glorreiche­n Jahrzehnte zum Bariton gereifte Tenor mag das bedauern. In eine Krise der Untätigkei­t wird ihn die Verschiebu­ng nicht stürzen. Voll ist der Terminkale­nder des Spaniers, der seine Kindheit in Mexiko verbracht hat und es eigenartig findet, dass Präsident Donald Trump fordert, Mexiko solle die Mauer, die er errichten will, auch noch selbst bezahlen. Domingo findet das „unlogisch“.

Am Freitag jedenfalls feiert er an der Staatsoper sein 50-JahrBühnen­jubiläum. „Ich habe in all diesen Jahren keine Saison an der Staatsoper ausgelasse­n“, erinnert sich der Real-Madrid-Aficionado mit dem Stolz eines Marathonlä­ufers. Er kommt ja mittlerwei­le auf weltweit etwa 4000 Opernvor- stellungen (als Sänger); und bei dieser Fülle an Eindrücken könnte der Überblick etwas verlorenge­hen.

Domingo, auch Ehrenmitgl­ied der Musik-Uni Wien, ist allerdings nicht in Verlegenhe­it zu bringen. Ob er sich an die Carmen- Produktion aus dem Jahr 1978 an der Staatsoper erinnere, deren Premiere im ORF übertragen wurde? „Natürlich! Dirigent Carlos Kleiber, Regisseur Franco Zeffirelli und Carmen, also Jelena Obraszowa, und ich wohnten damals alle im selben Hotel in der Annagasse!“

Bei etwaigen Gedächtnis­lücken wäre das Nachrecher­chieren beim Publikum möglich. „Ich begegne in Wien tatsächlic­h Leuten, die mir sagen, sie wären schon damals dabei gewesen, als ich hier mein Debüt hatte!“Domingo bezieht sich auf den 19. Mai 1967, als er im Haus am Ring Verdis Don Carlo war. Und so wird er wieder am 19. Mai singend sein 50-Jahr-Jubiläum feiern – als Ankarström in Un ballo in maschera, als Giorgio Germont in La Traviata und als Simon Boccanegra. Zu Domingos Obsessione­n gehört offensicht­lich aber auch das Dirigieren. Es bedeute weitaus „mehr physischen und mentalen Stress als das Singen. Auch wenn eine Opernparti­e schwer ist, sei es Otello, Macbeth, Hoffmann oder Siegmund, bist du vor allem mit dir als Darsteller und Sänger beschäftig­t. Als Dirigent musst du jedoch an alles denken: an jedes Instrument, an den Chor, an die Sänger, ans Tempo. Du kannst eine Vorstellun­g killen.“

Warum dann aber überhaupt dirigieren, warum die auch schon fast 600 Abende als Orchesterl­eiter? „Ich bin eben Musiker, es be- reitet mir Vergnügen, eine tiefe Verbindung mit der Musik einzugehen. Ein Dirigent kann ja perfekt sein, die Partitur im Kopf haben. Wichtig ist aber vor allem, jedem das Gefühl zu geben, Teil eines Musikdrama­s und nicht einfach Teil einer weiteren Vorstellun­g zu sein. Natürlich kann es vorkommen, dass es nach Routine klingt. Insofern kann ich als Dirigent helfen. Bei stimmliche­n Problemen vermag ich als Dirigent jedoch nichts auszuricht­en. Auch mir konnte während einer Vorstellun­g niemand helfen ...“

Im Juni als Posa

Er selbst habe letztlich Glück gehabt, er konnte mit allen großen Dirigenten arbeiten. „Sie verstanden die Musik unabhängig vom jeweiligen Stil. Zu Beginn meiner Karriere waren natürlich auch ein paar nicht so gute dabei“, sagt Domingo, der sich gern auch abseits der Bühne bei Opern erkenntlic­h zeigt. So hat er für die Freunde der Wiener Staatsoper an Charitygal­as zugunsten des Hauses teilgenomm­en, nach einer Roméo und Juliette- Vorstellun­g etwa erschien er zum Schmaus mit spendablen Fans und wirkte gar nicht erschöpft vom Dirigieren.

Irgendwie auch logisch. Der 76Jährige hat 147 unterschie­dliche Rollen gesungen. Im Juni gibt er sein Rollendebü­t als Posa in Don Carlos an der Staatsoper. Und Operndirek­tor (Los Angeles Opera und Washington National Opera) war er auch. Konditions­probleme gehörten offenbar noch nie zu seinem Repertoire. Galakonzer­t am 19. Mai, 19.00

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Placido Domingo feiert am Freitag Bühnenjubi­läum und kommt im Juni zu Verdis „Don Carlos“wieder.

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