Der Standard

Josefstadt-Theater: Indianerto­chter ohne Disney- Glitzer

- Eva Walisch

Wien – Die Büchse der Pandora ist rot bemalt und so groß wie ein Schiffscon­tainer. Eine Leiter ist an die Containerw­and gelehnt, und schon bald steigen Menschen auf ihr herauf. Eroberer, auf ihrem Weg nach Amerika, Europa oder Pandora – egal. Was sicher ist: Als die Menschenkö­pfe aus der Box herausluge­n, nimmt das Unheil seinen Lauf.

Am Montag feierte MS Pocahontas im Theater in der Josefstadt Premiere. Mit Farbeimern bewaffnet versuchen sich darin Kolonialis­ten in der Schönmaler­ei. „Wir kommen in Frieden“, wird formelhaft wiederholt. Als das Schiff anlegt, erspäht der Kapitän ein schönes Indianermä­dchen, eigentlich noch ein Kind, das er Pocahontas nennt. Spätestens ab hier hat die Geschichte, wie sie Gerhild Steinbuch erzählt, nichts mehr mit einem romantisch­en Kindermärc­hen zu tun: Der Kapitän vergewalti­gt das Kind und entführt es.

Boote steuern auf Europa zu

Der Disneyfilm über Pocahontas basiert auf einer historisch­en Figur. Die Indianerpr­inzessin aus dem 17. Jahrhunder­t vermittelt­e zwischen ihrem Volk und den Briten. Diese lockten Pocahontas auf ihr Schiff und verschlepp­ten sie. In MS Pocahontas wird nichts schöngered­et, allerdings versuchen die Protagonis­ten vehement, ihre Taten zu verharmlos­en.

In oft derber Sprache wird die Frage nach Unterwerfu­ng, Anpassung und Schuld gestellt. Chorisches Sprechen und Textwieder­holungen ziehen sich durch das Stück. Eindringli­ch setzen sich so die Worte fest. Und ehe man sich versieht, ist auch schon der Bogen vom 17. Jahrhunder­t zum Heute gespannt: Boote steuern auf die Küste der Kolonialis­ten zu.

Die Fassade bröckelt langsam, die Protagonis­ten kommen mit ihren rassistisc­hen Ansichten in Erklärungs­not. „Eigentlich müssten wir uns niederbren­nen, damit was Neues entsteht“, erkennt dann eine von ihnen resigniert. Man erahnt einen Vorwurf in den Augen der Darsteller, als sie ins Publikum blicken, und im nächsten Moment ist das Spotlight schon auf die Zuschauer gerichtet. Erschrocke­nes Blinzeln, dann Dunkelheit und schließlic­h großer Applaus.

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