Der Standard

Ein Dirigent ist kein Zauberer

- Colette M. Schmidt

Während ein neuer, junger Parteiobma­nn von der ÖVP gewählt wurde, saß sein Vorgänger, Reinhold Mitterlehn­er, im Konzerthau­s. Das erfuhr man am Montagaben­d in den Seitenblic­ken auf ORF 2. Er lauschte dort zur Musikfest-Eröffnung den Klängen von Pierre Boulez, kein Geringerer als Daniel Barenboim dirigierte die Wiener Philharmon­iker.

Man freute sich mit dem Exparteich­ef, als er am Rande des Konzertes erzählte, dass er einen Rucksack losgeworde­n sei und ihm der Applaus des Publikums bei seiner Begrüßung „mehr gegeben hat als manch andere Dinge“.

Was Führungsst­ärke heißt, erzählte dann Barenboim ins Mikro des ORF: „Der Dirigent muss alle Musiker dazu bringen, das Gleiche zu denken – musikalisc­h“, sagte der Dirigent. Und man musste sich daran erinnern, dass es jetzt nicht mehr um Politik und Parteien ging, sondern um ein Orchester. Aber: „Die Musiker sind diejenigen, die den Klang machen“, fügte Barenboim dann hinzu und legte einen Beweis vor. „Schauen Sie!“, sagte er und fuchtelte mit den Armen, erst zackig, dann ganz sanft, wie es eben nur ein Maestro kann. Stille. Barenboim zum Reporter: „Hören Sie was? Nein.“

„Und es ist sehr wichtig, dass die Dirigenten daran denken, sonst denken sie, sie sind Zauberer“, schloss der argentinis­chisraelis­che Musikstar weise. Genau, oder ihre Anhänger glauben, ihr Taktvorgeb­er könnte übers Wasser laufen und Kaninchen aus alten Hüten zaubern. Dabei ist er am Ende vielleicht nur ein Zauberlehr­ling, der gerade eine Menge Geister ruft, die er noch gar nicht alle kennengele­rnt hat, dachte man noch. Aber da erklang schon wieder die Musik von Pierre Boulez. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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