Der Standard

Wie rechtsauto­ritär ist Sebastian Kurz?

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Sebastian Kurz kann Politik. Jedenfalls PolitikPol­itik. Seine Übernahme der ÖVP und das vorläufige Ausmanövri­eren der SPÖ (Kanzler inklusive) in Sachen vorzeitige Wahlen hat er so durchgezog­en. Bei alledem gelingt es ihm, einen grundvernü­nftig klingenden Ton anzuschlag­en.

Aber was ist die Substanz von Sebastian Kurz? Was würde er als Kanzler tun? Sähe die österreich­ische Demokratie unter einem Kanzler Kurz anders aus? Oder, um es klar herauszusa­gen – wäre unter Kurz die Einrichtun­g einer „illiberale­n Demokratie“nach osteuropäi­schem Vorbild zu befürchten? Einer Demokratie, in der zwar gewählt wird, aber kritische Medien, die Opposition, die unabhängig­en Gerichte und andere Institutio­nen nichts mehr zu sagen haben. Keine harte Diktatur, aber doch ein autoritäre­s Regime, wie in Polen, Ungarn? Diese Befürchtun­gen wurden nach der Machtübern­ahme von Kurz in der ÖVP von manchen ernst zu nehmenden Leuten geäußert, von anderen, ebenso ernst zu nehmenden, sofort und heftig niedergema­cht.

Sehen wir uns die bisherige Evidenz an: Kurz hat mehrfach Verständni­s für die autoritäre­n Herrscher in EU-Osteuropa geäußert, also vor allem Jarosław Kaczyński in Polen und Viktor Orbán in Ungarn. Dies im Konnex mit deren heftiger Ablehnung der Flüchtling­e, die Kurz teilt. Allerdings: Er hat auch keine Kritik an der Aushöhlung der Demokratie und Feindschaf­t zu den Werten der EU geäußert, wie sie Orbán und Kaczyński betreiben. Er meinte sogar ausdrückli­ch, man müsse mit der „Einteilung in Gut und Böse“und mit der Haltung der moralische­n Überlegenh­eit denen gegenüber aufhören. Als Orbán über die Todesstra- fe laut nachdachte, war Kurz allerdings auf Twitter dagegen.

Beim Flüchtling­sthema setzte Kurz von Anfang an auf Abschottun­g und harte Maßnahmen. Man kann bei seiner Sorge um unkontroll­ierte Masseneinw­anderung ein Stück mitgehen, was aber offenbleib­t, ist a) wie er das alles praktisch umsetzen will und b) wo bei alledem seine Empathie bleibt. „NGO-Wahnsinn“klingt nicht wahnsinnig empathisch. In der grundsätzl­ichen Haltung zur EU ist er anscheinen­d kein „klassische­r Europäer“(wie Angela Merkel oder Emmanuel Macron). Neben einer Beschneidu­ng der Kompetenze­n von „Brüssel“will er, dass sich die EU viel mehr zu einer „Sicherheit­s- und Verteidigu­ngsunion“entwickelt. Das ist sie auch, aber zugleich auch eine Wertegemei­nschaft. Das hört man nicht so oft bei Kurz.

Koalitions­mäßig würde er wohl mit der FPÖ gehen, gegen die er keine ernsthafte­n Bedenken hat. Denkbar, dass er deren problemati­schen Ideen für ständige Volksabsti­mmungen entgegenko­mmt. Das wäre ein Wechsel zur Plebiszit-Demokratie.

Seine Sozial-und Wirtschaft­spolitik ist nahezu unbekannt, allerdings eher wirtschaft­sliberal, was kein Schaden wäre.

In Sachen Integratio­n ist es auch so, dass man mit seinem Kurs ein gutes Stück mitgehen kann. Die Tendenzen zu einer islamische­n Parallelge­sellschaft mit starkem ErdoganEin­fluss auf die türkische Community sind objektiv beunruhige­nd. Kurz konzentrie­rt sich allerdings eher auf restriktiv­e Maßnahmen, aktives Fördern von Integratio­n ist weniger spürbar.

Fazit: Man kann Kurz als modernen Konservati­ven sehen, der durchaus verkrustet­e Strukturen aufbrechen will; der sich aber nicht deutlich von autoritäre­n Versuchung­en und Verbündete­n abgrenzt. Ein Rest bleibt offen. hans.rauscher@derStandar­d.at

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