Der Standard

Nicken, dann treten

- Manuel Escher

Als das Weiße Haus auf Schadensbe­grenzung schaltete, war es schon viel zu spät. Der Bericht der Washington Post hatte sein Publikum bereits erreicht. Außenpolit­isch wird die Enthüllung, dass der US-Präsident dem russischen Außenminis­ter Sergej Lawrow womöglich hochgeheim­e Informatio­nen zugesteckt hat und damit Verbündete in Gefahr bringt, dem Weißen Haus und den USA schaden. Auch befreundet­e Regierunge­n werden es sich wohl zweimal überlegen, dem US-Präsidente­n Informatio­nen zuzustecke­n, wenn sie bezweifeln müssen, dass er willens oder in der Lage ist, sie für sich zu behalten. Nicht nur im Krisenfall kann das auch für die innere Sicherheit der USA zum großen Problem werden.

Innenpolit­isch ist der unmittelba­re Effekt begrenzt: Wer schon bisher Gegner Trumps war, war dies wohl auch deshalb, weil er den einstigen Immobilien­magnaten seiner Persönlich­keit wegen für ungeeignet hält. Wer Trump trotz seiner offensicht­lichen Defizite gut findet, wird auch an dieser Geschichte vielleicht nicht viel auszusetze­n haben.

Seine Fans hätten vielleicht auch den Dementis des Nationalen Sicherheit­sberaters H. R. McMaster geglaubt, wenn Trump seinem hochangese­henen Mitarbeite­r nicht gleich am Folgetag öffentlich widersproc­hen hätte. Aber auch die Rechfertig­ung des Präsidente­n, er habe aus humanitäre­n Gründen Russland gewarnt, werden viele jener schlucken, die schon bisher bereit waren, Trumps offensicht­liche Unwahrheit­en für bare Münze zu nehmen. roblematis­ch für das Weiße Haus ist aber, dass der Bericht überhaupt an die Öffentlich­keit gekommen ist. Fast nichts, was im Oval Office besprochen wird, scheint dort zu bleiben. Trump kann noch so sehr auf „Leaker“schimpfen, noch so sehr mit Tonbandauf­zeichnunge­n, Strafen und Rache drohen: Er bekommt seine Mitarbeite­r nicht in den Griff. Dabei geht es längst nicht nur mehr um jene Beamte, die noch aus früheren Regierunge­n übrig sind. Auch bei jenen, die er selbst eingesetzt hat, scheint das Motto zu lauten, ihm zwar zuerst zuzustimme­n, seine vielen Fehlleistu­ngen dann aber an die Presse weiterzule­iten. Das sollte ihm auch mit Blick auf Abgeordnet­e und Senatoren zu denken geben, die zwar bisher öffentlich­e Kritik vermeiden, aber immer mehr auch ihr eigenes Schicksal bei den Wahlen im Herbst 2018 im Kopf haben müssen.

Trump und sein Team haben es geschafft, innerhalb nur weniger Monate die Zahl jener, die ihnen misstrauen und sie fürchten, von einem hohen Niveau aus noch weiter zu steigern. Für jemanden, der Loyalität sich selbst gegenüber so hoch schätzt wie der US-Präsident, muss das noch viel schwerer wiegen als die schlechte Presse. Es ist ungewiss, wie der Präsident, dessen Entscheidu­ngsprozess­e ohnehin nicht immer traditione­llen Maßstäben folgen, darauf reagieren wird, dass er kaum jemandem seiner angebliche­n Getreuen wirklich vertrauen kann. Wenn das bisherige Krisenmana­gement in Wahlkampf und Regierung Leitfaden ist, wird er das Loch, in dem er hockt, noch tiefer schaufeln.

P

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria