Der Standard

Mit aller Härte

Den Wahlkampf führen Kern und Kurz im Windschatt­en Straches gegeneinan­der

- Michael Völker

Es scheint, als ob Sebastian Kurz dem Kanzler immer einen Schritt voraus ist. Christian Kern versucht noch Bedingunge­n zu stellen, wo keine Bedingunge­n mehr zu stellen sind. Kurz hat ihm und der SPÖ die offene Feindschaf­t erklärt, er tut das freundlich, aber ohne einen Zweifel daran zu lassen. Was sich noch gemeinsam umsetzen lässt, wird wohl umgesetzt werden. Entgegenko­mmen wird es dabei keines geben, von beiden Seiten nicht. Wenn der Kanzler von der Kaltschnäu­zigkeit, mit der ihm Kurz jetzt begegnet, überrascht ist, dann hat er den 30-Jährigen in seiner Zielstrebi­gkeit – die SPÖ wird das als Skrupellos­igkeit bezeichnen – unterschät­zt.

Dass Kurz nicht den Posten des Vizekanzle­rs übernimmt, war abzusehen, da kann die SPÖ noch so sehr an seine Verantwort­ung als ÖVP-Chef appelliere­n. Für Kurz war immer klar, dass er sich dem nicht stellen wird, er steht für die Trennung, für das Ende der Koalition und wird und will sich mit dem Gemeinsame­n nicht mehr aufhalten. Kern war immer sein politische­r Feind und ist es jetzt umso mehr, als ein Termin für Neuwahlen feststeht. Im Grunde ist es egal, wer in dieser Aufstellun­g den Vizekanzle­r gibt, es geht nur noch darum, die Koalition abzuwickel­n, die letzten Tage ohne wüsten Streit über die Runden zu bringen. Dieses Vorhaben wird mit Wolfgang Brandstett­er mit Sicherheit besser gelingen, als wenn Kurz sich an Kerns Seite stellen würde. Es hat keinen Sinn mehr, diese Fassade zu befestigen. Sie steht nicht mehr. etzt geht es darum, wer in Zukunft dieses Land regieren wird, und es ist schwer vorstellba­r, dass dies SPÖ und ÖVP noch einmal gemeinsam tun werden. Es läuft auf eine Richtungse­ntscheidun­g hinaus, die keineswegs so klar ist: Die Politik, für die Kern steht, oder jene, für die Kurz steht, ja, da gibt es erhebliche Unterschie­de. Die Krux daran: Beide sind auf die FPÖ angewiesen. Beide werden für eine Koalition abseits von Rot-Schwarz Heinz-Christian Strache in die Regierung holen müssen. Das Feindbild in diesem Wahlkampf kann also nicht Strache heißen, das wäre unglaubwür­dig. Es wird die große Auseinande­rsetzung zwischen Kern und Kurz werden, mit aller Härte.

Strache kann sich darüber freuen. Offen ist, ob er davon profitiere­n kann.

JDiese Konstellat­ion birgt für die FPÖ erhebliche Gefahren: Sowohl Kern als auch Kurz werden intensiv um die freiheitli­chen Wähler buhlen, das tun sie ohnedies schon seit Monaten, und sie werden diese Bemühungen verstärken. Um hier bestehen zu können, muss Strache den Spagat zwischen potenziell­em Staatsmann und beinhartem Opposition­sführer schaffen. Das gelingt ihm derzeit nicht ganz schlecht. Dass in seinem Windschatt­en auch die derzeitige­n Regierungs­parteien zum Teil scharf nach rechts rücken, lässt für den Wahlkampf nichts Gutes erwarten.

Für die übrigen Opposition­sparteien ist das ganz bitter: Sie drohen aufgeriebe­n zu werden. Neos-Wähler könnten an Kurz Gefallen finden. Und potenziell­e Grün-Wähler könnten wieder einmal der SPÖ ihre Stimme geben. Immerhin geht es jetzt darum, Kern gegen Kurz, ein hervorrage­ndes Feindbild der links-grünen Reichshälf­te, zu unterstütz­en. Dass man damit womöglich auch Strache direkt in die Regierung hievt, werden viele nicht hören wollen. In ihrer Ablehnung der FPÖ sind nur die Grünen und die Neos glaubwürdi­g. Realpoliti­sch werden beide aber keine Rolle spielen.

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