Der Standard

Was die Datenschut­zverordnun­g bringt: Sammelklag­en, Beauftragt­e

Nutzer können ab Mai 2018 ihre Rechte leichter durchsetze­n. Ab dann gilt die Datenschut­zverordnun­g der EU. Unternehme­n drohen bei Verstößen Strafen in Millionenh­öhe, sagt IT-Anwalt Lukas Feiler.

- INTERVIEW: Fabian Schmid

Wien – Nach jahrelange­n Verhandlun­gen beschloss das EU-Parlament vor rund einem Jahr eine neue Datenschut­z-Grundveror­dnung. Sie tritt ab Mai 2018 in Kraft. IT-Unternehme­n sollen zuvor massiv lobbyiert haben, um allzu strenge Datenschut­zregeln zu verhindern. der STANDARD hat mit dem IT-Experten Lukas Feiler über die größten Neuerungen gesprochen.

STANDARD: Was ändert sich für einen normalen Nutzer mit der neuen Verordnung? Feiler: Er kann seine Rechte leichter durchsetze­n. Bisher war die Durchsetzu­ng des Datenschut­zes aus Sicht des Nutzers relativ zahnlos. Er konnte eine Beschwerde bei der Datenschut­zbehörde einbringen, was allenfalls dazu führte, dass diese eine kleine Untersuchu­ng durchführt und den Fall an die Bezirksver­waltungsbe­hörde weitergibt, die ein Strafverfa­hren durchführt. In Wien ist etwa das Magistrati­sche Bezirksamt für den 2. und 20. Bezirk zuständig – dort arbeitet eine einzige Person das Datenschut­zrecht in der Hauptstadt ab.

STANDARD: Mit der Verordnung bleibt das ganze Verfahren bei der Datenschut­zbehörde selbst? Feiler: Genau. Sie erhält nun die Kompetenz, Verwaltung­sstrafverf­ahren durchzufüh­ren, und kann drakonisch­e Strafen verhängen. Diese können bei bis zu 20 Millionen Euro oder bis zu vier Prozent des weltweiten Konzernums­atzes liegen – bislang war die Höchststra­fe lediglich 10.000 Euro.

STANDARD: Wie wird die Rechtsdurc­hsetzung für Betroffene über Gerichte verändert? Feiler: Die Verordnung sieht nun ein robustes Recht auf Schadeners­atz vor. Bislang war es so, dass dieser praktisch nur dann zugesproch­en wurde, wenn es zu einer „Bloßstellu­ng“des Betroffene­n in der Öffentlich­keit gekommen war. Denn nur dann gab es ein Recht auf immateriel­len Schadeners­atz. Materielle Schäden – die voraussetz­en, dass man nachweisli­ch durch Datenschut­zverletzun­gen Geld verloren hat – gab es in diesem Bereich typischerw­eise nicht.

STANDARD: Muss jeder Betroffene einzeln vor Gericht ziehen? Feiler: Nein – auch das ist neu: Es gibt nun die Möglichkei­t, dass eine Datenschut­z-NGO die Ansprüche des Betroffene­n geltend macht. Dazu zählt nach dem seit Freitag vorliegend­en Entwurf des neuen österreich­ischen Datenschut­zgesetzes ausdrückli­ch auch das Recht auf Schadeners­atz. Mehrere Ansprüche von mehreren Betroffene­n können zu einer Art Sammelklag­e gebündelt werden, wobei es hier um Summen von zigtausend­en Euro gehen kann.

STANDARD: Wie können sich Unternehme­n dagegen wappnen? Feiler: Das Unternehme­n kann sich gewisserma­ßen „freibewei- sen“. Es muss zeigen, dass es nicht für die Datenschut­zverletzun­g verantwort­lich ist. Da es keine absolute Sicherheit gibt, kann es bei jedem Unternehme­n zu vereinzelt­en Datenschut­zverstößen kommen. Es kommt aber darauf an, ob das Unternehme­n angemessen­e Datenschut­z- und Sicherheit­smaßnahmen implementi­ert hat – also seine „Hausaufgab­en“gemacht hat.

Was sind diese Haus-

STANDARD: aufgaben? Feiler: Bislang konnten sich Unternehme­n stark auf die Datenschut­zbehörde verlassen. Praktisch jede Datenverwe­ndung wurde an die Behörde gemeldet und oft geprüft. Man konnte schwierige Fragen also an die Behörde „auslagern“. Das muss nun intern passieren. Jede Datenanwen­dung muss in ein internes Verzeichni­s eingetrage­n werden, das etwa dokumentie­rt, welche Daten wann wofür verarbeite­t werden.

STANDARD: Gibt es besonders heikle Datensamml­ungen für Unternehme­n? Feiler: Wenn Datenverar­beitung ein hohes Risiko darstellt, also etwa Gesundheit­sdaten in großen Umfang gespeicher­t werden, muss das Unternehme­n eine „Datenschut­zfolgeabsc­hätzung“machen. Das Unternehme­n muss dokumentie­ren, warum die Datensamml­ung zulässig ist und sogenannte „Risikomind­erungsmaßn­ahmen“schaffen, etwa eine Verschlüss­elung der Daten.

STANDARD: Wer ist im Unternehme­n dafür zuständig? Feiler: Die Datenschut­z-Grundveror­dnung sieht vor, dass Unternehme­n, die datengetri­ebene Geschäftsm­odelle verfolgen, einen Datenschut­zbeauftrag­ten bestellen müssen. Dieser muss nicht nur entspreche­nd qualifizie­rt sein, sondern auch mit einer großen Unabhängig­keit ausgestatt­et sein. Er genießt außerdem einen Kündigungs­schutz.

STANDARD: Welche Unternehme­n sind konkret betroffen?

Laut Verordnung müssen Unternehme­n einen Datenschut­zbeauftrag­ten haben, wenn ihre „Kerntätigk­eit“die Datenverar­beitung ist. Doch die europäisch­en Datenschut­zbehörden legen das so aus, dass der Grundsatz auch für Firmen gilt, deren Kerntätigk­eit durch die Datenverar­beitung unterstütz­t wird. Dadurch sind fast alle Unternehme­n betroffen.

STANDARD: Bringt die Verordnung Unternehme­n nur Mühen oder gibt es positive Effekte? Feiler: Wir bemerken, dass viele Dinge, die auch nach geltendem Recht notwendig wären, nun wirklich angegangen werden. Dabei bemerken Unternehme­n aber, welche Möglichkei­ten in ihren Daten stecken. Man sieht diese nicht mehr nur als „Problem“bei Compliance und Datenschut­z, sondern beginnt, neue digitale Geschäftsm­odelle zu entwickeln.

STANDARD: Wie sieht die Umsetzung in Österreich aus? Feiler: Die Datenschut­z-Grundveror­dnung enthält 69 sogenannte „Öffnungskl­auseln“, sie lässt dem nationalen Gesetzgebe­r also noch einen gewissen Spielraum. Seit vergangene­m Freitag liegt der erste österreich­ische Gesetzentw­urf vor, der einige mit Spannung erwartete Fragen klärt: Die Pflicht zur Bestellung eines Datenschut­zbeauftrag­ten wird nicht auf alle Unternehme­n ausgedehnt. Das Alter, ab dem Minderjähr­ige eine wirksame Einwilligu­ng in die Verarbeitu­ng ihrer Daten erteilen können, bleibt – wie von der Datenschut­z-Grundveror­dnung grundsätzl­ich vorgesehen – bei sechzehn Jahren.

STANDARD: Wie funktionie­ren diese Sammelklag­en nach der österreich­ischen Umsetzung? Feiler: Datenschut­z-NGOs werden zwar Schadeners­atzansprüc­he im Auftrag von Betroffene­n geltend machen können, aber keine Klagen ohne Auftrag eines Betroffene­n einbringen können – wie dies etwa der VKI im Bereich des Konsumente­nschutzes kann. Schließlic­h werden die drakonisch­en Strafen der Datenschut­zGrundvero­rdnung grundsätzl­ich nicht nur gegen ein Unternehme­n, sondern auch gegen seine Geschäftsl­eitung verhängt werden können. Öffentlich­en Stellen werden bei Datenschut­zverletzun­gen hingegen keine Geldbußen drohen.

LUKAS FEILER (33) ist Leiter der Fachgruppe IT bei der Kanzlei Baker McKenzie in Wien. Er gilt als einer der renommiert­esten IT-Juristen in Österreich. Feiler forschte im Rahmen des Europe Center an der Stanford University. Gemeinsam mit Nikolaus Forgó, Honorarpro­fessor für IT-Recht an der Universitä­t Wien, verfasste Feiler einen „Kommentar EUDatensch­utz-Grundveror­dnung“, der auf 420 Seiten eine erste rechtliche Einschätzu­ng der neuen Datenschut­zverordnun­g bietet.

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Foto: Baker McKenzie Lukas Feiler ist IT-Jurist bei Baker McKenzie in Wien. Feiler:

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