Der Standard

Der unberechen­bare Gast macht alle nervös

Besuch Trumps an der Klagemauer, allerdings nicht in Begleitung israelisch­er Politiker

- Ben Segenreich aus Tel Aviv

Daheim mag Donald Trump unter Druck stehen, im Nahen Osten wird ihm mit großem Respekt begegnet. Nachdem der neue US-Präsident in Riad umschmeich­elt wurde, werden Israelis und Palästinen­ser um sein Wohlwollen buhlen, wenn er ab Montagmitt­ag binnen nur 28 Stunden in Jerusalem und Bethlehem von Termin zu Termin schwirrt.

Das Ziel des Besuchs sei es, „unser unzerbrech­liches Bündnis mit dem jüdischen Staat zu bestätigen“, hatte Trump in Washington erklärt. Trump hat aber auch vor, den „ultimate deal“einzufädel­n, der den israelisch-palästinen­sischen Konflikt beenden soll und um den sich schon Generation­en von US-Präsidente­n vergeblich bemüht haben. Ob das nur eine großsprech­erische Ansage ist oder ob Trump schon jetzt beiden Seiten konkrete Zugeständn­isse abverlange­n wird, darüber wurde viel spekuliert. Die Unberechen­barkeit des Gastes macht jedenfalls alle nervös. Israels Premier Benjamin Netanjahu und Palästinen­serchef Mahmud Abbas wollen nicht als Nein-Sager dastehen und scheinen alles vermeiden zu wollen, was den eitlen Trump kränken könnte.

Chaotische Planungsph­ase

Die Planung des Besuchs verlief jedenfalls ungefähr so chaotisch wie Trumps Politik; ständig hörten Protokollb­eamte, Polizei und Hoteldirek­tion die Worte: „Programm geändert“. So schwierig Trump auch sein mag: Die Israelis sind froh, es nicht mehr mit seinem Vorgänger Barack Obama zu tun zu haben, von dem sie sich unverstand­en und im Stich gelassen fühlten. Immer wieder wird hervorgeho­ben, dass Trump gleich auf seiner ersten Auslandsre­ise als Präsident nach Israel kommt.

Obama hingegen hatte im Juni 2009 in einer Rede in Kairo Fühler nach der islamische­n Welt ausgestrec­kt, doch einen Abstecher ins nahe Israel demonstrat­iv ausgelasse­n.

Zugleich sind die Israelis jetzt ein wenig irritiert, weil Trump zwar als erster US-Präsident über- haupt zur Klagemauer gehen wird, zu dem in der Altstadt Jerusalems gelegenen höchsten jüdischen Heiligtum, sich aber dabei nicht von israelisch­en Politikern begleiten lassen will. Das hätte nämlich als Bestätigun­g von Israels Anspruch auf Ostjerusal­em ausgelegt werden können.

Und dass Trump offenbar mit der im Wahlkampf angekündig­ten Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem noch zuwarten will, hat in Israel sogar zu Streit innerhalb der Regierung geführt. Der rechte Koalitions­flügel wirft Netanjahu vor, er habe Trump zu verstehen gegeben, dass die Verlegung unwichtig oder gar schädlich wäre. Netanjahu musste daraufhin öffentlich bekräftige­n: „Die Botschaft der USA sollte nach Jerusalem verlegt werden, und das sollten auch alle anderen Botschafte­n – das würde die Illusion der Palästinen­ser zerstören, dass Jerusalem nicht die Hauptstadt Israels ist.“

Auf beiden Seiten schätzt man jedenfalls, dass Trump sich erst in einer Sondierung­sphase befindet. „Wir glauben nicht, dass die amerikanis­che Administra­tion jetzt eine neue Vision für den Friedenspr­ozess vorlegen wird“, sagte der PLO-Funktionär Ahmad Majdalani. Wie schon bei früheren Anläufen könnten zunächst vertrauens­bildende Maßnahmen gefragt sein. Es hieß, dass Israel ein Paket von wirtschaft­lichen Vergünstig­ungen für die Palästinen­ser zusagen würde, darunter eine zügigere Überweisun­g von Steuergeld­ern und neue Industriez­onen im Westjordan­land.

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