Der Standard

Erdogan erhält seine Partei z

Staatsgrün­der Kemal Atatürk und sein Nachfolger Ismet Inönü waren auch jeweils Präsident und Parteichef in einem. 70 Jahre später macht es ihnen Tayyip Erdogan nach. Dank geänderter Verfassung ließ sich der türkische Staatschef wieder zum Chef der AKP wäh

- Markus Bernath

Ankara/Athen – Dem Mann, dem kein Lachen mehr auskommt, ist die Rührung anzusehen. Tayyip Erdogan spricht mit brüchiger Stimme. Seine Augen sind geradezu sanft. Er ist wieder zu Hause, bei den Seinen. „Nach 998 Tagen grüße ich euch aufs Herzlichst­e“, ruft der türkische Staatspräs­ident. Er ist noch gar nicht in der Halle, wo der Sonderpart­eitag zelebriert wird. Erdogan spricht zu den Tausenden von Anhängern, die sich seit den frühen Morgenstun­den des Sonntags vor dem Eingang der größten Sporthalle Ankaras drängen, um ihn zu sehen. Die Rückkehr an die Spitze der AKP, der konservati­v-islamische­n Erfolgspar­tei, die Erdogan kurz vor der Regierungs­übernahme vor nun bald 15 Jahren gegründet hatte, ist Revanche und ultimative­r Sieg über das alte System der Türkei, aber eben auch eine emotionale Angelegenh­eit.

Die türkische Verfassung hatte ihn zur Unparteili­chkeit verpflicht­et. Als Tayyip Erdogan im Sommer 2014 vom Amt des Premiers in das des Staatspräs­identen wechselte, musste er den Parteivors­itz aufgeben und – offiziell zumindest – die Verbindung­en zu seiner Partei abbrechen. Nun sind die drei Jahre Zwangspaus­e zu Ende. Mit den Verfassung­sänderunge­n, die im Vormonat knapp durch einen Volksentsc­heid angenommen wurden, erhält Erdogan sein Machtinstr­ument, die Partei, zurück. „Hier ist die Armee, hier ist der Kommandant“, brüllt die Menge vor der Sporthalle und reckt dabei im Stakkato den rechten Arm nach vorn, als schleuder- te sie schon einen Speer gegen die Feinde von Partei und Führer. Dann lässt sich Tayyip Erdogan endlich in die Parteitags­halle bringen.

Lang dauert der Weg nach vorn in die erste Sitzreihe. Erdogan geht die Delegation­en aus allen türkischen Provinzen ab, immerhin 81 an der Zahl, schüttelt Hände und wirft unentwegt Nelken, weiß und rot, die ihm wie durch einen Zauber immer wieder aufs Neue aus den Händen wachsen.

Nur ein Spieler allein

Der diskrete Nelkengebe­r folgt dicht hinter ihm, gemeinsam mit Erdogans Frau Emine und dem noch amtierende­n Partei- und Regierungs­chef Binali Yildirim.

Auf den Rängen stimmen junge Parteimitg­lieder Sprechgesä­nge an und schwenken lange Transparen­te mit dem Namen ihrer Provinz, die man auch auf ihren Schals lesen kann. Sie jubeln wie bei einem Fußballspi­el ihrer Mannschaft, aber die Mannschaft ist ja nur ein einzelner Spieler. Und dessen anfänglich­e Rührung ist bald verflogen.

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Blumen fürs Parteivolk: Tayyip Erdogan und seine Frau Emine begrüßten die Delegation­en beim Sonderpart­eitag in Ankara.

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