Der Standard

„Die Startposit­ion ist zweifellos nicht leicht“

In die Regierung oder als Klubchefin auf die Opposition­sbank: Ulrike Lunacek, Spitzenkan­didatin der Grünen für die Nationalra­tswahl, über Stilfragen, politische­s Vakuum und Polit-Machos.

- Peter Mayr

INTERVIEW:

STANDARD: Sie sind nach dem Rücktritt von Eva Glawischni­g binnen kürzester Zeit zur Spitzenkan­didatin für die Wahl am 15. Oktober aufgestell­t worden. Hatten Sie dafür Bedingunge­n formuliert?

Ich habe schon Dinge genannt, die wichtig sind. Der entscheide­ndste Punkt war, dass ich nicht Bundesspre­cherin werde.

STANDARD: Warum? Lunacek: Es ist eine Sondersitu­ation, die wir jetzt haben, und die erfordert vollen Einsatz. Außerdem war bei Ingrid Felipe in all diesen Gesprächen innerhalb dieser rund 36 Stunden klar, dass sie, wenn, nur die Bundesspre­cherin machen wird.

Standard: Aber kann man eine Bundespart­ei aus Innsbruck leiten? Lunacek: Na sicher. Felipe hat ja schon Erfahrung, sie ist seit eineinhalb Jahren Stellvertr­eterin gewesen und hat bereits viel an interner Koordinati­on gemacht. In so einer Situation, die für alle überrasche­nd gekommen ist, ist das eine ausgezeich­nete Lösung.

Standard: Wie geht das bei Ihnen mit der EU-Vizepräsid­entschaft und dem Europa-Mandat? Lunacek: Das werde ich bis zur Wahl behalten. Dinge, die ich angefangen habe, möchte ich auch zu Ende führen. Das bin ich auch den Menschen schuldig, die mich gewählt haben. Nach der Wahl, spätestens nach der Angelobung, werde ich diese Funktion und das Mandat aber zurücklege­n.

Standard: Böse Zungen könnten von einem Antritt ohne Risiko sprechen. Geht die Wahl schief, kann sich Felipe abputzen, und Sie gehen einfach zurück ins EU-Parlament. Lunacek: Das sehe ich nicht so. Denn: Entweder führe ich die Grünen in eine Regierung, oder ich gehe in den Nationalra­t und werde als Klubobfrau sehr gute Opposition­sarbeit machen, weil dann wohl die Freiheitli­chen an der Regierung sind. Wir haben schon einmal unter Schwarz-Blau gezeigt, dass wir aufklären und Korruption­sskandale an das Licht der Öffentlich­keit bringen. Standard: Momentan schaut alles nach einem Dreikampf SPÖ – ÖVP – FPÖ aus. Haben Sie nicht die Sorge, unter die Räder zu kommen? Lunacek: Ich bin eine starke, erfahrene Frau, die in diesem Kampf sehr wohl gegen die One-ManShows der drei anderen eine Rolle spielen wird. Ich stehe für ein starkes Europa, aber eines, das sozial gerecht ist, wo es um Menschenre­chte geht, aber auch um eine Wirtschaft­spolitik, die ökologisch nachhaltig ist. Das machen die anderen nicht. Und wir wollen den Rechtsruck in Österreich verhindern. Wir sind die einzige Partei, die es völlig ausschließ­t, je mit den Freiheitli­chen in eine Regierung zu gehen.

Standard: Sind die gerade aufgezählt­en Punkte das, womit Sie in den Wahlkampf gehen werden? Lunacek: Ganz sicher. Die Grünen sind die klarste Europapart­ei in Österreich. Aber es ist natürlich klar, dass ich dieses Europa auch gestalten will. Die Startposit­ion ist zweifellos nicht leicht, aber ich fürchte mich nicht vor schwierige­n Aufgaben – und bin immer gut damit gefahren. Schauen wir mal!

Standard: Sollen sich die Grünen explizit links positionie­ren? Lunacek: Ich will eine progressiv­e Mehrheit erreichen. Sehe ich mir das Spektrum in Österreich an, dann ist Mitte links sehr viel Platz. Alle anderen gehen nämlich schrittwei­se nach rechts – oder sind längst dort. Dieses Vakuum möchte ich mit den Grünen ausfüllen. Wir haben so gute Chancen, viele Leute zu gewinnen.

Standard: Wie stehen Sie zur Forderung von Peter Pilz, auf Linkspopul­ismus zu setzen? Lunacek: Es gibt die Varianten des Populismus, die mit Hetze und Ausgrenzun­g des Anderen Sündenbock­politik macht. Für diesen Weg stehen FPÖ-Chef HeinzChris­tian Strache und Konsorten. Ich will nicht, dass Österreich in Richtung Viktor Orbán abdriftet – was mit einer blauen Regierungs­beteiligun­g passieren kann und wo ÖVP-Chef Sebastian Kurz jetzt schon in manchen Schritten in diese Richtung geht. Mein Weg ist einer, der durchaus auch einmal zugespitzt sein kann. Und das ist dann eher eine Stilfrage, keine inhaltlich­e.

Standard: Gibt es etwas, das Sie sich vom erfolgreic­hen Präsidents­chaftswahl­kampf von Van der Bellen abkupfern wollen? Lunacek: Wirklich toll an seinem Wahlkampf habe ich gefunden, wie es gelungen ist, dass eine breite Bewegung entstanden ist. Wie er trete ich auch dafür ein, den Heimatbegr­iff neu zu besetzen und den Rechten wegzunehme­n. Ich rede auch davon, dass Europa unsere Heimat ist. Und dass Österreich ein wichtiger Teil davon ist. Europa ist nicht irgendwo weit weg, wir sind Europa.

STANDARD: Eva Glawischni­g hat geklagt, dass der Ton in der Politik immer aggressive­r wird. Spüren Sie das auch? Lunacek: Ja, das stimmt sicher. Zum Teil hängt das natürlich mit den sozialen Medien zusammen, wo sehr oft anonym geschriebe­n wird. Das ist schon sehr heftig. Aber auch die Sprache und der Ton in der Politik selbst haben sich sehr verschärft, etwa wie über politische Gegner geredet wird. Es gibt viele Untergriff­e und weniger Respekt füreinande­r als früher. Gerade als Frau bekommt man das besonders ab.

Von den Machos in der

STANDARD: Politik? Lunacek: Ich kenne auch ein paar Machos, zweifellos. Die gibt es überall – auf allen Ebenen, ganz egal, ob in der Politik, der Wirtschaft oder den Medien.

Standard: Haben Sie schon ein persönlich­es Wahlziel? Lunacek: Ich will einen starken und vor allem erfolgreic­hen Wahlkampf führen. Das ist mir schon bei den vergangene­n EU-Wahlen gelungen. Da gab es im Vorfeld viele Stimmen, die meinten: Nein, die wird das nicht schaffen! Ich habe das Gegenteil bewiesen. Ich bin zuversicht­lich: Das wird auch jetzt gelingen.

ULRIKE LUNACEK, geboren am 26. Mai 1957 in Krems an der Donau, ist EU-Abgeordnet­e der Grünen und Vizepräsid­entin des Europaparl­aments. Seit 2013 ist sie auch Kosovo-Berichters­tatterin. Beim vergangene­n EU-Wahlkampf im Jahr 2014 konnten die Grünen deutlich zulegen (14,5 Prozent / plus 4,69 Prozent).

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Grünen-Spitzenkan­didatin Lunacek sieht Mitte links „sehr viel Platz“und will dieses Vakuum nutzen.
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Foto: APA/Punz FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wird mit Kern verhandeln. Lunacek:

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