Der Standard

ÖBB zieht bei Fernbus Hellö die Notbremse

Dem im Vorjahr gestartete­n ÖBB-Fernbus-Dienst Hellö fehlt es an Fahrgästen. Eine Kooperatio­n mit Marktführe­r Flixbus soll Passagiere anlocken – und unauffälli­g den Rückzug aus dem heißen Markt ermögliche­n.

- Luise Ungerboeck

Wien – Kaum ein Jahr auf dem Markt, zieht die ÖBB bei ihrer Fernbusges­ellschaft Hellö die Notbremse. Massive Unterausla­stung auf einzelnen Städteverb­indungen, die mit den 28 schwarz lackierten Hellö-Reisebusse­n angesteuer­t werden, sei der Grund, das Geschäftsm­odell zu überdenken, erfuhr der STANDARD von mit dem heiß umkämpften Busmarkt vertrauten Eisenbahne­rn. Mittelfris­tig wolle sich die Staatsbahn aus diesem Reiseverke­hrssegment verabschie­den, sickerte am Freitag nach einer Krisensitz­ung durch. „Es geht um einen gesichtswa­hrenden Rückzug“, schildert ein mit der Materie vertrauter ÖBB-Insider unter Verweis auf das unter dem früheren ÖBB-Chef und nunmehrige­n Bundeskanz­ler Christian Kern (SPÖ) eingegange­ne Fernbus-Abenteuer.

In einem ersten Schritt soll das bereits im Jänner erstmals gestraffte Linienange­bot weiter gestrafft werden. Darüber hinaus soll ein Kooperatio­nspartner an Bord kommen, um die Fahrgastza­hlen nach oben zu schrauben. Einen solchen hat die Bundesbahn laut STANDARD- Recherchen seit Freitag an der Angel: Flixbus, die in München ansässige Reservieru­ngsplattfo­rm, die unter der Marke Flixbus europaweit mit lokalen Buspartner­n arbeitet, und mit mehr als 80 Prozent Marktführe­r ist im Fernbusseg­ment. Flixbus übernimmt Vertrieb und Reservieru­ng, garantiert eine bestimmte Auslastung und trägt damit also einen wesentlich­en Teil des wirtschaft­lichen Risikos.

Bei Flixbus in München wollte man eine Kooperatio­n mit der ÖBB ebenso wenig bestätigen wie bei der ÖBB. Beide Unternehme­n wollten keine Stellungna­hme abgeben, dementiert­en aber auch nicht. Da die Busverbind­ungen nach Berlin und Venedig zu den relativ am besten laufenden zählen, gehen ÖBB-Auskenner davon aus, dass diese ausgebaut werden. Allerdings ist genau hier der Wettbewerb am stärksten. In der Busbranche schäumt man, kritisiert Dumpingpre­ise durch die Staatsbahn, die so den ruinösen Preiswettb­ewerb weiter anheize.

Als ausbaufähi­g schilderte Flixbus-Chef André Schwämmlei­n vor kurzem das CEENetzwer­k von Flixbus. Gut möglich also, dass sich Hellö künftig mehr Richtung Südund Südosteuro­pa ausrichtet.

Ob Hellö das weiterhin als eigenständ­ige ÖBB-Tochter tun wird oder als „IntercityB­us“, also eine Art Profit-Center innerhalb des ÖBB-Personenve­rkehr AG, sei noch nicht endgültig entschiede­n. Denn abseits von Performanc­e und Strecken geht es innerhalb des ÖBB-Konzerns auch um die gesellscha­ftsrechtli­che Zukunft von Hellö respektive der ÖBB-Fernbus GmbH. Sie schreibe mit neun Angestellt­en und 28 geleasten Mercedes-Bussen nicht nur horrende Anlaufverl­uste – die Schätzunge­n liegen zwischen 5,7 und acht Millionen Euro –, sondern habe auch hausgemach­te Schwächen. Das laut Konzernbil­anz „eigens entwickelt­e Vertriebss­ystem“mit seinen Internetbu­chungen funktionie­re nicht reibungslo­s, teilweise müssten die Tickets direkt im Bus verkauft werden, so ein ÖBB-Insider. „Von kostendeck­end keine Spur.“

Auch dazu gibt es von der ÖBB seit Tagen keine Stellungna­hme. Der Geschäftsv­erlauf der Fernbus-Tochter 2016 wird gehütet wie ein Staatsgehe­imnis, nicht einmal Passagierz­ahlen werden genannt. Die im Jänner stolz genannten 100.000 Passagiere sind – gemessen an 28 Bussen und 180 Tagen Fahrbetrie­b seit dem Start am 14. Juli – mit 20 Personen pro Tag und Bus über- schaubar. Ein Hellö-Verkauf gilt aufgrund der Überkapazi­täten am Markt als schwierig. Wieder verworfen wurde die Idee, den auf Schrumpfku­rs geschickte­n ÖBB-Fernbus in den staatlich finanziert­en ÖBB-Postbus (hält zehn Prozent an Hellö) zu verschiebe­n. Dieses Problem ist bis zu Aufsichtsr­atssitzung im Juni zu lösen.

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Foto: ÖBB / Marek Knopp Adieu statt Hellö dürfte es beim ÖBB-FernbusAbl­eger mittelfris­tig heißen. Mithilfe von Partnern soll die Auslastung der bisweilen spärlich besetzten schwarzen Hellö-Reisebusse erhöht und so der Verlust verringert werden.
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