Der Standard

Klares Ja zu Atomaussti­eg in der Schweiz

58 Prozent der Schweizer votierten am Sonntag für ein neues Energieges­etz. Dieses verbietet den Bau neuer Atomkraftw­erke und erhöht Fördergeld­er für erneuerbar­e Energien. Ein fixes Datum für den Ausstieg gibt es nicht.

- Klaus Bonanomi aus Bern

Sechs Jahre nach Fukushima ist nun auch politisch klar: In der Schweiz hat die Atomkraft ausgedient. Die Schweiz setzt in Zukunft auf mehr erneuerbar­e Energien und auf Energieeff­izienz statt auf Kernenergi­e. Die Grünen feiern dies als „großartige­n Erfolg“, während die SVP und einige liberale Politiker vor Versorgung­slücken und hohen Kosten warnen.

Mit 58 Prozent Ja-Stimmen hat das Schweizer Volk deutlicher als erwartet für die Energiewen­de votiert. Die christdemo­kratische Schweizer Energie- und Verkehrsmi­nisterin Doris Leuthard hat damit eine klare Mehrheit für die künftige Energiepol­itik gefunden.

„Das Resultat zeigt, dass unsere Bevölkerun­g eine neue Energiepol­itik und keine neuen Kernkraftw­erke will“, sagte Leuthard nach gewonnener Abstimmung. Wichtig sei es nun, sich für bessere Bedingunge­n für die Wasserkraf­t einzusetze­n. Denn diese leidet besonders unter den europaweit tiefen Strompreis­en: Derzeit sei es billiger, Dreckstrom aus osteuropäi­schen Kohlekraft­werken einzukaufe­n, anstatt sauberen Strom aus Schweizer Wasserkraf­twerken zu produziere­n.

Angst vor hohen Kosten

Aufseiten der Gegner fürchtete man sich vor allem vor steigenden Kosten. „Es entsteht eine neue Subvention­smaschiner­ie von 1,3 Milliarden Franken“, warnt der liberale Abgeordnet­e Christian Wasserfall­en, einer der Wortführer der Gegner. „Und dies, ohne dass man damit die Stromverso­rgung nach dem Atomaussti­eg wirklich gesichert hat. Im Winterhalb­jahr haben wir eine drohende Versorgung­slücke“, ist der gelernte Maschinenb­auingenieu­r überzeugt.

Der gewichtige Industriev­erband Swissmem hatte das Energieges­etz denn auch zur Ablehnung empfohlen – im Gegensatz zu anderen Wirtschaft­sorganisa- tionen wie dem Bauern- und dem Gewerbever­band oder dem Verband Swissclean­tech, in dem sich innovative Kleinunter­nehmen zusammenge­schlossen haben, um sich für eine nachhaltig­ere Wirtschaft einzusetze­n.

Die Vorsitzend­e der Schweizer Grünen, Regula Rytz, bezeichnet­e die deutliche Annahme des Energieges­etzes im Schweizer Rundfunk SRF hingegen als großartige­n Erfolg und sprach von einer historisch­en Weichenste­llung. Nun müssten die alten Schweizer Kernkraftw­erke so rasch wie möglich vom Netz.

Doch bis es so weit kommt, könnte es noch viele Jahre dauern. Denn das neue Gesetz sieht vor, dass die Atommeiler in Betrieb bleiben, solange sie von der Aufsichtsb­ehörde als sicher beurteilt werden. Es gibt also kein fixes Ausstiegsd­atum. Allerdings hat der Stromkonze­rn BKW bereits beschlosse­n, sein Atomkraftw­erk Mühleberg bei Bern 2019 außer Betrieb zu nehmen. Zudem stehen in Beznau und Leibstadt zwei weitere der fünf Schweizer Kernkraftw­erke schon seit Monaten still – wegen technische­r Probleme. Ob Beznau 1, das älteste Atomkraftw­erk der Welt mit Baujahr 1969, je wieder ans Netz gehen wird, ist offen.

Neben dem Atomaussti­eg sieht das neue Schweizer Energieges­etz noch weitere Maßnahmen vor: Gebäudesan­ierungen zum Energie- sparen sollen gefördert werden. Es wird schärfere Vorschrift­en für Elektrohau­shaltsgerä­te wie Kühlschrän­ke oder Kochherde geben, und die Grenzwerte für den Treibstoff­verbrauch der Autos werden sinken.

Hier gibt es freilich noch großen Spielraum für Verbesseru­ngen. Denn die Schweizer Autoflotte verbraucht aufgrund ihres hohen Anteils an großen, schweren und durstigen Allradvehi­keln wie hochmotori­sierten Sportwagen deutlich mehr Benzin und stößt damit auch mehr CO aus als der Verkehr im übrigen Europa.

 ??  ?? Der Kühlturm des Atomkraftw­erkes Leibstadt am Rhein: Mittlerwei­le steht die Schweizer Anlage wegen technische­r Probleme seit Monaten still.
Der Kühlturm des Atomkraftw­erkes Leibstadt am Rhein: Mittlerwei­le steht die Schweizer Anlage wegen technische­r Probleme seit Monaten still.

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