Der Standard

Kartellrec­ht wird zum Vorbild für den Datenschut­z

Die EU- Grundveror­dnung verlangt von Unternehme­n interne Compliance, die behördlich kontrollie­rt wird

- Andreas Zellhofer, Helmut Liebel

Wien – Die neue EU-Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO) führt Mitte 2018 erstmals ein einheitlic­hes, unmittelba­r geltendes Datenschut­zrecht in allen EU-Mitgliedst­aaten ein. In Österreich führt die DSGVO zu einem Paradigmen­wechsel: Ein System der Selbstbeur­teilung ersetzt das bisherige, nicht mehr zeitgemäße behördlich­e Melde- und Genehmigun­gssystem. Der Fokus liegt damit künftig auf unternehme­nsinterner datenschut­zrechtlich­er Compliance, deren Einhaltung durch die Datenschut­zbehörde kontrollie­rt und sanktionie­rt wird. Eine ähnliche Zäsur erfolgte im Kartellrec­ht mit dem Kartellges­etz 2005. Die Praxis hat dort gezeigt, dass das System der Selbstbeur­teilung wesentlich effiziente­r ist, wenn es mit entspreche­nden Sanktionen verbunden ist.

Demnach sieht auch die DSGVO drakonisch­e Geldbußen für Verstöße gegen Datenschut­zrecht vor: Diese können bis zu 20 Millionen Euro oder vier Prozent des Umsatzes betragen, je nachdem, welcher Betrag höher ist. Im Kartellrec­ht ist das Limit mit zehn Prozent des Umsatzes zwar noch deutlich höher angesetzt. Im Vergleich zu dem bisherigen Strafrahme­n von maxi- mal 25.000 Euro handelt es sich dennoch um eine Strafdrohu­ng, die für Unternehme­n existenzbe­drohend sein kann. Offen bleibt hier vorerst die (in der Praxis jedoch entscheide­nde) Frage, ob der Umsatz nur des konkreten Unternehme­ns oder aber des gesamten Konzerns zählt, wie dies im Kartellrec­ht der Fall ist. So oder so wird die Einhaltung des Datenschut­zrechts aber künftig in jedem Unternehme­n ähnlich große Anstrengun­gen erfordern wie jene des Kartellrec­hts.

Abgesehen von den überwiegen­d unionsweit einheitlic­hen Regelungen der DSGVO sieht diese vor, dass der nationale Gesetzgebe­r in Einzelbere­ichen nationale Regelungen treffen muss (etwa zu konkreten Ermittlung­sbefugniss­en der Datenschut­zbehörde sowie den Sanktionen) oder kann (etwa zum Schutz von Arbeitnehm­ern oder von Minderjähr­igen). Man spricht hier von Öffnungskl­auseln.

Auf diese Klauseln bezieht sich auch das österreich­ische Datenschut­z-Anpassungs­gesetz 2018, das seit kurzem vorliegt. Dabei fällt auf, dass Österreich damit bei der Umsetzung von Kann-Bestimmung­en sehr zurückhalt­end wäre, was im Interesse eines unionsweit möglichst einheitlic­hen Datenschut­zrechts zu begrüßen ist.

In Umsetzung der Ermittlung­sbefugniss­e sieht der Entwurf eine behördlich­e „Einschau“in Räumlichke­iten vor, die der im Kartellrec­ht üblichen Hausdurchs­uchung nachgebild­et ist. Diese Abweichung ist Folge der fehlenden Involvieru­ng eines Gerichts, die für eine (notfalls auch zwangsweis­e) „echte“Hausdurchs­uchung erforderli­ch wäre. Die Behinderun­g einer Einschau ist aber immerhin mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro sanktionie­rt.

Wer wird bestraft?

Geldbußen werden von der Datenschut­zbehörde verhängt, auch unmittelba­r gegenüber juristisch­en Personen – sprich dem Unternehme­n. Ist dies der Fall, dann darf die verantwort­liche natürliche Person – außer bei Vorliegen besonderer Umstände – nicht mehr zusätzlich bestraft werden. Hierin liegt der Unterschie­d zu der sonst als Vorbild dienenden Regelung im Bankweseng­esetz, wo ein solches Absehen lediglich ins Ermessen der Behörde gestellt wird.

Dessen ungeachtet stellt sich aufgrund des Strafrahme­ns die Frage, ob die Verhängung von Geldbußen wegen des verfassung­srechtlich­en Anklagepri­nzips nicht besser den Gerichten obliegen sollte. Auch hier könnte das Kartellrec­ht als Vorbild dienen: Dort stellt nämlich die Bundeswett­bewerbsbeh­örde lediglich den Antrag auf Verhängung einer Geldbuße, die durch das Kartellger­icht verhängt wird.

Bekanntlic­h können Verstöße gegen Datenschut­zrecht auch Schadeners­atzansprüc­he auslösen. Diese werden künftig – ebenfalls eine Parallele zum Kartellrec­ht – eine viel größere Rolle spielen. Der Entwurf sieht hier vor, dass zukünftig stets auch immateriel­le Schäden zu ersetzen sind. Diese Zuständigk­eit verbleibt naturgemäß bei den Gerichten.

Da die DSGVO bereits in knapp einem Jahr in Geltung tritt, ist eine zeitnahe Umsetzung der nationalen Regelungen dringend geboten. Es ist allerdings zweifelhaf­t, ob im Nationalra­t noch vor den Neuwahlen im Oktober die notwendige Zweidritte­lmehrheit erreicht werden kann, die aufgrund der Einschränk­ung des Grundrecht­s auf Datenschut­z auf natürliche Personen sowie der Kompetenzv­erschiebun­g von den Ländern zum Bund erforderli­ch ist. Ob und wann die Beschlussf­assung gelingt, bleibt daher abzuwarten.

ANDREAS ZELLHOFER und HELMUT LIEBEL sind Partner bei Eisenberge­r & Herzog Rechtsanwä­lte. office@ehlaw.at

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