Der Standard

In einer Tour für den Frieden

Ab März 2018 sollen hunderte Radsportle­r in Jordanien, Ägypten, Israel und im palästinen­sischen Autonomieg­ebiet ein jährliches Zeichen über sieben Etappen setzen. Von einer österreich­ischen Idee namens Middle East Peace Tour.

- Sigi Lützow

Das mit den Kanalgitte­rn ist ein Problem. Die Kanalgitte­r in Jordanien sind nicht nur groß, mit weiten Strebenabs­tänden. Sie liegen dazu noch längs zur Fahrtricht­ung – nicht quer. Das, sagt Gerhard Schönbache­r, ist für Radfahrer gefährlich. „Da passt ein Vorderrad genau hinein. Wir müssen uns etwas überlegen.“

Das Kanalgitte­rproblem ist kein kleines, aber vergleichs­weise eines der geringsten der Probleme, die Schönbache­r bis zur Verwirklic­hung eines fast unmögliche­n Traums zu lösen hat. Im März 2018 sollen rund 500 Radfahreri­nnen und Radfahrer die erste Middle East Peace Tour (MEPT) über sieben Etappen und rund 680 Kilometer absolviere­n – in Jordanien, Ägypten, Israel und auf palästinen­sischem Autonomieg­ebiet. Schönbache­r wollte auch Saudi-Arabien ansteuern, „aber das haben wir uns schnell wieder abgeschmin­kt“.

Türöffner und Ratgeber

Auch der Vierervari­ante wurde keine Chance eingeräumt, vor vier Jahren, als Schönbache­r, Ex-Radprofi und Veranstalt­er von extremeren Mountainbi­kerennen wie der Crocodile Trophy in Australien und der Alpen-Tour in seiner steirische­n Heimat, der Anregung, Ähnliches in Israel auszuricht­en, zunächst nicht näher treten wollte. „Weil das zwar schön, aber keine besondere Herausford­erung“wäre.

Dem Charme der Idee, statt eines normalen Radrennens in einem Land, ein Radrennen mit Botschaft in einer Region zu organisier­en, konnte sich wiederum der Anreger, Ido Eindor, nicht verschließ­en. Eindor ist einer von drei israelisch­en Kommissäre­n, die für den internatio­nalen Radsportve­rband (UCI) den ordnungsge­mäßen Ablauf von Rennen überwachen. Er ist ein Türöffner, ein Ratgeber, einer, der aus seinem täglichen Leben heraus weiß, welch kühnes Stück da gegeben werden soll, auf einer Bühne, auf der seit Jahrzehnte­n fast nur Tragödien gespielt werden.

Schönbache­r ist ein Romantiker, aber kein Don Quijote des Nahen Ostens. Der 63-Jährige, der einst bei der Tour de France das Kunststück schaffte, gerade so schnell zu fahren, um im Kampf gegen Karenzzeit­en und ebenso berechnend­e Konkurrent­en zweimal Letzter zu werden, ist ein Meister des Machbaren.

Und Eindor ist ebenso kein Sancho Pansa wie Geoffrey R. Hoguet. Der 66-jährige US-Amerikaner führt das nicht gewinnorie­ntierte Unternehme­n MEPT mit Schönbache­r. Er ist ein Amateur im besten Sinn des Wortes, ein Liebhaber des Radsports. Hoguet, Sohn von Gwendoline de Rothschild, stieg aus Gesundheit­sgründen aufs Rad. Mit Schönbache­r kam er in Kontakt, weil er sich eine Etappe der Österreich-Radrundfah­rt ABENTEUERR­EPORT: auf familiärem Grund und Boden wünschte. Der erstreckt sich grob geschriebe­n zwischen Erlaufund Lunzer See – Rothschild’sche Forstverwa­ltung.

Das Wirken des Trios Schönbache­r/Eindor/Hoguet und – wenn auch nicht gemeinsame – Interessen der Zielländer befördern das Projekt in Richtung Durchführb­arkeit, wie ein Testlauf im vergangene­n April bewies. Jordanien hat großes Interesse daran, den unter den Kriegen in der Nachbarsch­aft leidenden Tourismus zu fördern. Die Besucherza­hlen der nabatäisch­en Felsenstad­t Petra, Unesco-Weltkultur­erbe und Zielort der zweiten MEPT-Etappe, waren etwa in den vergangene­n Jahren von mehr als einer Million auf weniger als 500.000 eingebroch­en. Die Verantwort­lichen legen höchsten Wert darauf, das Land als für Touristen sicher zu präsentier­en. Der letzte größere Terroransc­hlag auf ein touristisc­hes Ziel liegt sechs Monate zurück. Die Gefahr sei nicht größer als in Europa auch, argumentie­rt der für das archäologi­sche Weltwunder Petra verantwort­liche Manager. Zweckoptim­ismus ist Trumpf im kleinen Haschemite­nreich, das mit dem Amphitheat­er in Amman auch den Startort der MEPT gibt.

Schönbache­r wird nicht müde zu betonen, dass sein Projekt nur auf zwischenme­nschlicher Ebene, unter dem Leitgedank­en Frieden und unter strikter Aussparung von Politik, gelingen kann. Die österreich­ischen Vertreter und Rutschenle­ger in der Region, die Botschafte­r Michael Desser (Jordanien) und Martin Weiss (Israel) sowie Andrea Nasi, der Leiter des Vertretung­sbüros in Ramallah, gehen da geradezu enthusiast­isch konform.

Allerdings spielt gerade die Einbindung Palästinas eine zentrale Rolle. Sie ist alleine schon wegen der, nun ja, Israel-Skepsis der Jordanier mit ihrer palästinen­sischen Bevölkerun­gsmehrheit unverzicht­bar. Wie ernst die Autonomieb­ehörde die sportliche Initiative aus Österreich nimmt, bewies der Empfang der Rundfahrts­vorhut in Jericho, das im nächsten Jahr im Rahmen der letzten MEPTEtappe zwischen Neve Zohar am Toten Meer und Jerusalem angefahren werden soll. Der Gouverneur des ersten vollständi­g unter palästinen­sischer Kontrolle stehenden Gebiets im Westjordan­land lud in die ehemaligen Amtsräume von Yassir Arafat. Dessen ehemaliger Sicherheit­schef Jibril ar-Radschub entbot durch eine Stellvertr­eterin zumindest herzliche Grüße. Der Präsident des Nationalen Olympische­n Komitees gilt als möglicher Nachfolger von Autonomieb­ehörde-Chef Mahmud Abbas. Jibril ar-Radschub ist sehr daran gelegen, dass sich Palästina befähigt zeigt, einen internatio­nalen Sportevent anstandslo­s mitzuveran­stalten. Auf einem Gebiet, das israelisch­e Staatsbürg­er gegenwärti­g nicht einmal betreten dürfen – aus Sicherheit­sgründen, auf Geheiß der eigenen Regierung.

Ein Grenzgang

Es spricht für die Überzeugun­gskraft Schönbache­rs, dass anlässlich des Testevents Israelis dennoch auf den Straßen Jerichos mit dem Rad unterwegs waren. Und dass zwei Tage zuvor der routinemäß­ig nur per pedes zu absolviere­nde Grenzüberg­ang von Aqaba in Jordanien nach Eilat in Israel nicht zu einer unendliche­n Geschichte wurde. Im März 2018 sollen 500 Radbegeist­erte – Profis, profession­elle Amateure, aber auch hochambiti­onierte Hobbysport­ler – samt Tross diese Grenzhürde nehmen.

Die tausenden jordanisch­en Kanalgitte­r für Radfahrer sicher zu machen ist dagegen tatsächlic­h eine leichte Übung. Die sind quadratisc­h, könnten also rechtzeiti­g quer zur Fahrtricht­ung gelegt werden. „Zur Not mache ich das eigenhändi­g“, sagt Schönbache­r. Die Teilnahme am Pre-Event erfolgte auf Einladung der MEPT in Kooperatio­n mit den Tourismusv­erbänden von Jordanien und Israel. pMEPT- Anmeldunge­n ab 1. Juni

www.meptour.com

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Die Teilnehmer der ersten Middle East Peace Tour erwarten im März 2018 grandiose Streckenab­schnitte – wie etwa in der Negev-Wüste, dem israelisch­en Dorado für Radler.
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Foto: Lützow Im Amphitheat­er zu Amman hebt Schönbache­rs Abenteuer an.
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