Der Standard

Gehörloser mit Gewaltprob­lem

Ein Prozess um einen Rosenkrieg wirft eine Frage auf

- Michael Möseneder

Wien – Die Argumentat­ion von Zarko V. (Name geändert, Anm.) ist allzu häufig zu hören, wenn es vor einem Strafgeric­ht um Körperverl­etzung, Nötigung und Stalking im Zuge eines Beziehungs­endes geht. Vor allem, wenn es Männer sind, die auf dem Anklagestu­hl Platz nehmen müssen.

„Ich wollte, dass wir als Familie wieder zusammenko­mmen!“, und „Ich habe ihr doch alles gegeben: ein Auto und eine schöne Wohnung!“, sagt V. also. Der Fall des 34-Jährigen unterschei­det sich allerdings in einem ungewöhnli­chen Detail von jenen, mit denen sich die Justiz sonst so beschäftig­t: Er ist ebenso wie seine Ex-Gattin gehörlos, was bei der Entscheidu­ng von Richterin Erika Pasching eine Rolle spielen wird.

Eigentlich war die Verbindung schon längst beendet, das Paar seit April 2016 geschieden. V. wollte die Trennung offensicht­lich nicht wahrhaben. Denn Ende November eskalierte die Situation.

„Es gab Streitigke­iten, weil sie mich verlassen hat“, erklärt er in Gebärdensp­rache. „Und was war am 29. November?“, fragt die Richterin. „Ich habe sie gezwickt, es gab eine Rangelei, dann bin ich spazieren gegangen. Bis ich eine SMS der Polizei bekommen habe, dass ich mich melden soll.“

Ganz so harmlos war es doch nicht, gesteht er ein, nachdem ihm Pasching die Version der Ex-Frau vorhält. Der Unbescholt­ene gibt schlussend­lich zu, die Frau in ihrer Wohnung gewürgt, grob gepackt, ins Gesicht geschlagen und getreten zu haben. „Sie haben ihr ja auch gedroht, Sie bringen sie um, wenn sie zur Polizei geht?“– „Ich war in Rage, das würde ich nie im Leben tun“, beteuert der Angeklagte.

V. gibt auch zu, dem Opfer bis Februar hunderte, teils bedrohlich­e, SMS geschriebe­n zu haben. „Die Situation war sehr chaotisch. Ich akzeptiere das jetzt aber, seit Ende Februar ist das vorbei“, berichtet er.

Eine Aussage, die von seiner ExFrau bestätigt wird, sie hat mittlerwei­le ihre Ruhe. Sie will 100 Euro Schmerzens­geld und hat vor allem einen Wunsch: „Ich will, dass er eine Therapie macht“, bittet sie. Auch um des gemeinsame­n fünfjährig­en Sohnes willen.

Einen Wunsch, den ihr Pasching erfüllt. Sie entscheide­t sich rechtskräf­tig für eine Diversion mit zwei Auflagen. Er muss das Schmerzens­geld zahlen und die Therapie machen. Plötzlich stutzt sie und wendet sich an die Dolmetsche­rin. „Es ist natürlich jetzt die Frage, wie das mit der Therapie funktionie­rt. Haben Sie da Erfahrunge­n?“– „Bei den Barmherzig­en Brüdern gibt es psychologi­sche Beratungen in Gebärdensp­rache, dort müsste man das wissen“, antwortet die Dolmetsche­rin.

Die Frage ist durchaus relevant – denn hält V. die gerichtlic­he Weisung nicht ein, wird der Prozess gegen ihn fortgesetz­t. Ob es, und falls ja welche Angebote es gibt, lässt sich nur schwer eruieren. Eine schriftlic­he STANDARDAn­frage beim Österreich­ischen Gehörlosen­bund wurde nicht beantworte­t.

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