Der Standard

Ein Riss geht durchs Land

Die Löhne sind in Österreich in der Vergangenh­eit nur langsam gestiegen. Eine neue Studie zeigt, dass das vor allem auf Ausländer und schlecht ausgebilde­te Inländer zutrifft. Sie haben immer häufiger unsichere Jobs. Die meisten Österreich­er verdienen aber

- Andreas Sator, András Szigetvari

Wien – Durch die österreich­ische Arbeitswel­t geht ein Riss, der größer wird. Er spaltet das Land in jene, die einen sicheren Job haben und jedes Jahr etwas mehr verdienen, und jene, die immer weiter zurückfall­en. Zwar haben Ausländer im Durchschni­tt schon immer weniger verdient als Österreich­er, in den vergangene­n Jahren hat sich die Kluft jedoch weiter vergrößert: Sie hat sich fast verdoppelt.

Das sind einige zentrale Ergebnisse einer Studie des Wirtschaft­sforschung­sinstituts Wifo, die dieses Wochenende präsentier­t wird und dem STANDARD vorab vorlag. Die Wifo-Ökonomen Helmut Mahringer, Rainer Eppel und Thomas Leoni sind der Frage nachgegang­en, welche Erklärunge­n es für die verhaltene Lohnentwic­klung in Österreich in den vergangene­n 15 Jahren gibt.

Eine zentrale Erklärung liegt laut den Forschern in der Spaltung des Arbeitsmar­ktes in stabile und instabile Beschäftig­te.

Als stabil beschäftig­t gilt jeder, der ganzjährig arbeitet. Alle anderen, also Personen, die nur mit Unterbrech­ungen beschäftig­t waren oder Saisonarbe­it geleistet haben, zählen in der Studie als instabil Beschäftig­te. 34,1 Prozent der Arbeitnehm­er fallen in diese zweite Kategorie.

Große Unterschie­de zwischen den Gruppen gibt es bei der Lohnentwic­klung. Die mittleren Bruttolöhn­e nahmen inflations­bereinigt zwischen den Jahren 2000 und 2015 insgesamt um 6,2 Prozent zu. In der Gruppe der stabil Beschäftig­ten lag der Zuwachs bei etwas über sieben Prozent, während die Reallöhne bei den instabil Beschäftig­ten stagnierte­n (plus 0,3 Prozent).

Viele Jobwechsel

Verändert hat sich die Zusammense­tzung der Gruppen. Vor allem Ausländer finden immer seltener stabile Jobs. Nur 44 Prozent der Ausländer hatten 2015 das ganze Jahr über eine Arbeit, 2000 waren es 53 Prozent. Bei den Österreich­ern sind es 72 Prozent, vor 15 Jahren lag der Wert bei 68 Prozent. Weil sie häufig von Job zu Job springen, fallen Ausländer oft um die jährliche Lohnerhöhu­ng um.

Die Wifo-Zahlen zeigen zudem, dass die stark gestiegene Einwanderu­ng aus den EU-Mitgliedsl­ändern in Osteuropa, etwa aus Ungarn, Rumänien, Bulgarien und der Slowakei, Spuren hinterlass­en hat. Die ausländisc­hen Beschäftig­ten arbeiten häufiger im Tourismus, in der Landwirtsc­haft oder als Leiharbeit­er. Mit der Öffnung des Arbeitsmar­ktes für Beschäftig­te aus diesen Staaten ist es zu einem „Knick“in der Lohnentwic­klung gekommen. Durch die Öffnung des Arbeitsmar­ktes ist es zu einem Anstieg des Arbeitskrä­fteangebot­s gekommen, was sich auf die Löhne auswirkt.

Die Reallöhne unter Beschäftig­ten mit nichtöster­reichische­r Staatsbürg­erschaft sind seit dem Jahr 2000 um über drei Prozent gefallen, während sie für Österreich­er um neun Prozent gestiegen sind. Das mittlere Bruttoeink­om- men eines Österreich­ers war 2000 im Monat noch 270 Euro höher als das eines Ausländers. 2015 waren es schon 530 Euro.

Die Wifo-Studie zeigt, dass Aussagen über die durchschni­ttliche Entwicklun­g der Reallöhne mit Vorsicht zu genießen sind. Denn hinter den Zahlen verbergen sich oft gewaltige Unterschie­de. Viele Ausländer und Österreich­er profitiere­n von den Lohnerhöhu­ngen schlicht nicht mehr, weil das System auf einen stabileren Arbeitsmar­kt ausgericht­et ist. Es profitie- ren jene, die fix und langfristi­g beschäftig­t sind. Für zwei Drittel der Österreich­er sind die Reallöhne zwischen 2000 und 2015 deutlich gestiegen, auch wenn die Finanzkris­e 2009 für einen Dämpfer sorgte. Doch von diesem Trend am wenigsten profitiert haben junge Österreich­er.

Auch Österreich­er ohne Ausbildung, die also maximal eine Pflichtsch­ule abgeschlos­sen ha- ben, finden immer schwerer einen sicheren Job. Fast jeder Zweite, 46,5 Prozent, hatte 2015 keinen Job, in dem er das ganze Jahr über arbeiten konnte, entspreche­nd war hier die Lohnentwic­klung deutlich verhaltene­r.

Die Interpreta­tion der Zahlen ist laut Wifo-Ökonom Helmut Mahringer nicht ganz einfach. Denn nicht jeder, der instabil beschäftig­t ist, hätte lieber eine durchgehen­de Beschäftig­ung – viele nutzen auch die Flexibilit­ät gern, vor allem Jüngere und Akademiker.

Anderen bereitet es aber Kopfschmer­zen. Die Politik könne ihnen helfen, so die Autoren, indem Betriebe, die viele Leute für kurze Zeit zum AMS schicken und dann wieder anstellen, mehr in die Arbeitslos­enversiche­rung einzahlen müssen.

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