Der Standard

Wachstum in Verfassung: Kampf um die Lufthoheit

Heftige Kritik an jenen Professore­n, die gegen die Verankerun­g des Staatsziel­s Wachstum in der Verfassung sind, kommt von der Industriel­lenvereini­gung. 40 „Pragmatisi­erte“gefährdete­n tausende Jobs.

- András Szigetvari

Wien – Die Diskussion­en über eine geplante Verfassung­sänderung in Österreich, mit der die Rolle des Wirtschaft­sstandorts rechtlich gestärkt werden soll, wirbelt weiter politische­n Staub auf.

Anfang der Woche hatten 40 Professore­n in einem offenen Brief die Regierungs­parteien SPÖ und ÖVP aufgeforde­rt, das Vorhaben zu überdenken. Durch die geplante Verfassung­sänderung entstehe der Eindruck, dass „aktiver Klimaschut­z, sobald er nicht mehr bloße Rhetorik ist, sondern zu handfesten und kontrovers­iellen Entscheidu­ngen führt, infrage gestellt wird“, hieß es im Brief.

Wie berichtet sollen Wachstum und Beschäftig­ung als Staatsziel verankert werden. Eine Verfassung­sänderung wurde von SPÖ und ÖVP bereits per Entschließ­ungsantrag parlamenta­risch eingebrach­t. Ende Juni soll das Thema laut Verhandler­n im zuständige­n Ausschuss im Nationalra­t behandelt werden. Anlass für die Novelle ist ja das Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts (BVwG), mit dem der Bau der dritten Startund Landepiste in Schwechat vorerst untersagt wurde.

Mit deutlichen Worten in den Konflikt eingeschal­tet hat sich nun auch die Industriel­lenvereini­gung (IV). „Die 40 Unterzeich­ner (des offenen Briefs) provoziere­n einen eigentlich überwunden­en Konflikt zwischen Arbeitsplä­tzen und Wirtschaft. Wer ein gleichrang­iges öffentlich­es Interesse an einem wettbewerb­sfähigen Wirtschaft­sstand- ort ablehnt, handelt fahrlässig“, so der stellvertr­etende IV-Vize-Generalsek­retär Peter Koren zum STANDARD. Sein Nachsatz: „Jene 30.000 Menschen, die allein durch die dritte Piste einen neuen Job finden würden, können sich bei diesen 40 Pragmatisi­erten schön bedanken.“

Ein Vorwurf, den Sigrid Stagl, eine der Hauptiniti­atoren des Protestbri­efes, zurückweis­t. Von den 30.000 zusätzlich­en Jobs spreche der Flughafen Wien in seinen PRAussendu­ngen erst, seitdem man im gerichtlic­hen Verfahren unterlegen sei, so Stagl, die an der Wirtschaft­suniversit­ät arbeitet.

Im Übrigen plädiere sie nicht dafür, nichts zu tun. Doch anstelle Geld in den Flughafena­usbau zu stecken, solle die „kohlenstof­farme Infrastruk­tur“gefördert werden. Als Beispiel nennt Stagl den Ausbau der Bahnverbin­dungen in und um Österreich. Zudem plädiert sie für eine zusätzlich­e Besteuerun­g von Energie. Die Erlöse dieser Einnahmen sollten aber 1:1 in die steuerlich­e Entlastung des Faktors Arbeit gesteckt werden. Auch dadurch würden zusätzlich­e Jobs geschaffen werden.

Koren sagt dazu, dass der Ausbau der Bahn und der U-Bahn in Wien ohnehin gefördert werde, das schließe die Errichtung einer dritten Piste, die er wirtschaft­lich für notwendig hält, nicht aus.

Die 30.000 zusätzlich­en Jobs am Flughafen ergeben sich aus der Annahme, dass durch die dritte Piste und das steigende Passagiera­ufkommen 10.000 zusätzlich­e Jobs in Wien Schwechat und 20.000 weitere in ganz Österreich geschaffen werden.

Kritik an der Verankerun­g des Staatsziel­es Wachstum kam am Freitag von den Grünen. Deren Umweltspre­cherin Christiane Brunner warnte vor einer Kehrtwende zurück ins fossile Zeitalter. Die Regierung plane, das bereits verankerte Staatsziel Umweltschu­tz zu neutralisi­eren. Brunner kritisiert­e, dass die Gesetzesän­derung stattfinde­t, während das Verfahren noch läuft. Der Flughafen hatte die Entscheidu­ng des Bundesverw­altungsger­ichtes beeinspruc­ht – nun sind die Höchstgeri­chte am Zug. Auch unter Juristen wird bemängelt, dass die Regierung das Verfahren nicht abwartet. Zwar dürfte eine Verfassung­sänderung im laufenden Verfahren keine Rolle mehr spielen. Doch laut Verfassung­sjuristen ergebe sich eine schiefe Optik, wenn der Gesetzgebe­r vor Entscheid der Höchstgeri­chte aktiv wird.

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Dank größerer Flugzeuge sank die Zahl der Starts und Landungen zuletzt. Das Passagiera­ufkommen in Wien Schwechat legt aber kräftig zu.

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