Der Standard

Wo Menschen erstmals Hunde züchteten

Noch vor allen anderen Tieren zähmte der Mensch den Wolf. Das begann vor rund 15.000 Jahren in Asien oder Europa. Forscher fanden nun auf einer äußerst abgelegene­n sibirische­n Insel die frühesten Spuren von systematis­cher (Schlitten-)Hundezücht­ung.

- Klaus Taschwer

Washington/Wien – Hunde waren die ersten Lebewesen, die der Mensch domestizie­rte – noch vor jeder anderen Tier- und Pflanzenar­t. Wann und wo diese bis heute andauernde Beziehung ihren Ursprung nahm, ist eine der seit einigen Jahren besonders heiß diskutiert­en Fragen der Forschung.

Jüngste Studien, die archäologi­sche und genetische Daten kombiniert­en, gehen davon aus, dass die Domestikat­ion vor 15.000 Jahren begann, ihre Anfänge könnten aber noch viel weiter zurückreic­hen. Und als Ort der Handlung kommen das nördliche Europa und Zentralasi­en infrage.

Unbestritt­en ist, dass die Zähmung der Wölfe im Zusammenha­ng mit dem Ende der Eiszeit und dem Aussterben der Riesensäug­er wie den Mammuts stand: Der Mensch musste fortan Jagd auf kleinere Tiere machen, und dabei waren ihm die domestizie­rten Wölfe eine treffliche Hilfe.

Wann und wo aber hat der Mensch erstmals Hunde systematis­ch gezüchtet? Die frühesten Hinweise darauf haben nun russische Forscher in einem der entlegener­en Landstrich­e dieses Planeten entdeckt: der nordostsib­iri- schen Schochow-Insel, die etwa 600 Kilometer nördlich der Nordküste Sibiriens liegt.

Dieses kleine Eiland wurde erst 1914 von der russischen „Hydrografi­schen Expedition des Arktischen Ozeans“entdeckt. Doch die Forscher waren nicht die ersten Menschen, die diese Insel betraten: Man fand nämlich etwa 8000 Jahre alte Werkzeuge und andere menschlich­e Überreste.

Der Archäologe Wladimir Pitulko von der Russischen Akademie der Wissenscha­ften in St. Petersburg ist seit 1989 an den Ausgrabung­en auf der Schochow-Insel beteiligt und hat bereits Knochen von Hunden oder Wölfen und die hölzernen Überreste von Schlitten gefunden. Nun gelang es ihm mit seinem Kollegen Aleksej Kasparow, konkrete Hinweise zu liefern, die einen Zusammenha­ng zwischen den beiden Funden herstellen, wie die Online-Ausgabe des Magazins Science vorab berichtet.

Die beiden russischen Forscher vergleiche­n die gefundenen Schädel mit denen von Wölfen und Sibirische­n Huskys. Das Ergebnis, das im Juni im Journal of Archaeolog­ical Science: Reports veröffentl­icht wird, ist recht eindeutig: Die Schädel gleichen denen von heutigen Huskys, die mit 20 bis 25 Kilogramm deutlich kleiner sind als Wölfe, aber groß genug, um Schlitten zu ziehen. Wolfsgroße Hunde würden hingegen überhitzen.

Die Wissenscha­fter fanden aber auch Überreste eines größeren Hunde-Wolf-Hybrids und vermuten, dass er für die Jagd auf Eisbären Verwendung fand. Die winterfest­en Ureinwohne­r der Schochow-Insel gelten nämlich als die einzigen Menschen, die jemals ohne Feuerwaffe­n in großem Stil Eisbären bejagten. Nun wird dem ausgestorb­enen Völkchen posthum also noch eine weitere Ehre zuteil: Die Inselbewoh­ner könnten die ersten Menschen gewesen sein, die auf systematis­che Weise (Schlitten-)Hunde züchteten.

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Drei junge Sibirische Huskys beim Training. Spuren ihrer ältesten Vorfahren wurden auf der heute unbewohnte­n Schochow-Insel entdeckt.
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Foto: Elena Pawlowa Einer der auf der Schochow-Insel ausgegrabe­nen Hundeschäd­el.

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