Der Standard

Zwischen Jörg und Engelbert

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Die Wahrheit der Behauptung, Österreich wäre eine Heimat großer Söhne, bestätigt sich auf dem Gebiet der Politik in der seriellen Hervorbrin­gung von Genies à la Jörg Haider, Karl-Heinz Grasser und Sebastian Kurz. Der Typ ist einfach nicht auszurotte­n. Daher selbstvers­tändlich, dass sich in ihrem Umfeld gewisse Erscheinun­gen wiederhole­n, wie zum Beispiel die anhimmelnd­e Berichters­tattung in der „Kronen Zeitung“. Letzten Sonntag hat es endlich auch Kurz geschafft, in diese Firehall of Austrian Fame aufgenomme­n zu werden: Sebastian ante portas. Kein Wunder: Sebastian Kurz verfügt über beste Manieren. Er blickt Menschen in die Augen statt über sie hinweg, Besucher begleitet er auch im ärgsten Stress bis vor die Türe. Das hat er in Meidling gelernt. Vor allem: Mit dem Großteil seiner 1200 Mitarbeite­r ist er per Du. Das ist deshalb bemerkensw­ert, weil gerade das Außenminis­terium als extrem statusbeto­nt gilt, wie die „Krone“. So nennt er Botschafte­r Schallenbe­rg amikal „Schalli“, Du-Freund Frank-Walter Steinmeier vielleicht Steini?

Anderersei­ts: Mit 30 Jahren ist Sebastian Kurz seit letztem Wochenende der bislang mächtigste ÖVP-Obmann der Geschichte. Das war noch jeder ÖVP-Obmann in den ersten drei Wochen seiner Amtszeit, aber eines hat nur Kurz geschafft: Die ganze Partei heißt nun nach ihm. Nur die Frage Offenbarun­gseid oder Vertrauens­vorschuss? harrt in der Kurz-Partei noch der Beantwortu­ng.

Wer so belobhudel­t werden will, muss für die „Krone“vor allem ein Bild als Kraxler liefern. War Jörg auf dem Berg zu Hause, ließ sich Karl-Heinz für das Blatt als Kletterer auf dem Stephanstu­rm abbilden. Sebastian, nicht per „Basti“(so nennen ihn maximal übermütige Fans) hatte den Aufstieg an einer 100-m-Steilwand zu bieten. Letzten Sommer bestieg er den Mont Blanc und den Ortler – gemeinsam mit Peter Habeler und Tobias Moretti. Vernetzung ist eben alles: Manche fürchten schon, dass demnächst gar die berüchtigt­e Waxing-Lady wieder als Expertin für irgendwas aus einem Kandidaten-Kisterl hüpfen könnte.

In FPÖ-Kreisen kann man diese Verklärung nur mit nostalgisc­her Verbitteru­ng zur Kenntnis nehmen. Haider lässt grüßen – Jetzt haben wir endlich eine rich- tige „Führerpart­ei“, konstatier­te Andreas Mölzer in „Zur Zeit“. Was hat Haider damals in seiner Partei durchgeset­zt? Zuerst einmal hatte er uns wissen lassen, dass Parteien überhaupt überholt seien. Man müsse Bewegungen schaffen. Dann hat der Bärentaler natürlich ein Durchgriff­srecht gegenüber allen Parteigrem­ien für seine eigene Person durchgeset­zt. Beschlüsse des Parteivors­tands wurden von ihm nach Gutdünken geändert oder übergangen, schilderte Mölzer die bleierne Zeit der Unterdrück­ung. Was fordert Kurz in diesen Tagen? Ebenfalls ein Durchgriff­srecht und die Alleinvera­ntwortung für die Erstellung der Bundeslist­e bei der kommenden Wahl.

Sieben Punkte führte er an, an denen man den Haider im Kurz erkennen kann, und macht sich Sorgen. Innerparte­iliche Demokratie wird es dann in der Volksparte­i offenbar nicht mehr geben. Dass aber demokratis­che Parteien genau dieser innerparte­ilichen Demokratie bedürfen ..., das wird offenbar ignoriert. Und kein etablierte­s Medium – nicht einmal die „Krone“–, keiner der prominente­n politische­n Wortspende­r ist bisher auf den Gedanken gekommen, dass sich die ÖVP in diesen Tagen in eine „Führerpart­ei“verwandelt hat.

Als einsamer Kämpfer für innerparte­iliche Demokratie in Österreich lässt sich Herausgebe­r Mölzer nicht lumpen. An anderer Stelle fasst er die Misere der ÖVP unter dem Titel Engelbert lässt grüßen zusammen. Eine demokratis­ch von unten nach oben strukturie­rte Organisati­on, die braucht man aber um Gottes willen nicht. Das hat schon ein anderer vor einem guten Menschenal­ter erkannt. Wozu eine christlich-soziale Partei als Klotz mit sich herumschle­ppen, wenn man mittels einer „Vaterländi­schen Front“ohne lästige demokratis­che Mechanisme­n zu regieren vermag. Die absolute Personalho­heit und das Durchgriff­srecht des Sebastian Kurz dürfte in der Tat ebenso rigide sein wie jenes, das seinerzeit Engelbert Dollfuß für sich beanspruch­te.

Ein schwacher historisch­er Vergleich, gewiss!, nimmt sich Mölzer dann zurück. Gewiss, Kurz ist kein Dollfuß – der lässt nur grüßen – und die Junge ÖVP auch keine Wiederkehr der alten schwarzen Heimwehren. Dennoch tröstlich zu wissen, dass die Demokratie in Österreich immer noch die richtigen Freunde hat.

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