KOPF DES TAGES
Der Straßenprediger von Manchester
Manchester, sagt Andrew Burnham, sei „die großartigste Stadt der Welt“. Dem erst zu Monatsbeginn frisch gewählten Bürgermeister der Großregion kann man ein wenig Angeberei in diesen Tagen leicht verzeihen, schließlich dient sie einem guten Zweck: Der LabourPolitiker will die 2,8 Millionen Einwohner aufrichten und zusammenführen nach dem Bombenanschlag in der Arena-Konzerthalle, bei dem am Montagabend ein Suizidattentäter 22 Menschen tötete und mehrere Dutzend zum Teil lebensgefährlich verletzte.
Und so tourt der 47-Jährige durch die Fernsehstudios, nimmt an jeder Gedenkminute teil, ist immer wieder auf dem St.-Ann’s-Platz, dem Fokus der gemeinsamen Trauer, präsent. Er sei „so stolz“auf seine Stadt, sagt er geduldig in die Mikrofone der Weltpresse. Burnham rühmt die Polizei, die Ärzte und Schwestern in den Krankenhäusern, die Taxifahrer, zu guter Letzt auch die beiden Obdachlosen, die in der Arena bei der Erstversorgung schwerstverletzter Mädchen halfen. Ein Bürgermeister als Straßenprediger.
Burnham hat mit seiner niederländischen Frau drei Kinder im Teenageralter, zwei davon Mädchen. Mit vielen Eltern in der Stadt teilt er eine Erfah- rung, die für manche zur tödlichen Falle wurde: „Ich bin selbst schon um die gleiche Zeit in der Arena gewesen, um die Kinder abzuholen.“Das verleiht dem erstmals gewählten Bürgermeister von Greater Manchester eine Glaubwürdigkeit, die sich positiv auf sein neues Amt auswirken dürfte.
1996 verwüstete eine Bombe der irisch-republikanischen IRA das Arndale-Einkaufszentrum mitten in der Stadt. Dessen Wiederaufbau signalisierte eine erstaunliche Renaissance für die einst reiche, später heruntergekommene Industriestadt. Diesmal geht es weniger um die Architektur der Stadt als vielmehr ihren emotionalen Zusammenhalt, nicht zuletzt auch um die Integration der muslimischen Minderheit.
Der Literaturwissenschafter Burnham war in der letzten Labour-Regierung Kultur- und Gesundheitsminister, zuletzt kümmerte er sich um die Innenpolitik. Er versteht also ein wenig von allen wichtigen Politikfeldern, für die sein neuer Posten künftig zumindest teilweise zuständig ist.
Dass der talentierte Fußballer zudem ein lebenslanger Fan des Liverpooler Clubs FC Everton ist, macht ihm auch den Umgang mit den Fans der beiden städtischen Lokalrivalen United und City einfacher.