Der Standard

DA MUSS MAN DURCH

Die Krisenkolu­mne

- Von Christoph Winder

Panische Angst vor Zitronen: Von dieser eher exotischen Krankheit haben die Österreich­er in den vergangene­n Tagen aus wunderlich­em Anlass erfahren. So Sie es nicht ohnehin in der Zeitung gelesen oder in Willkommen Österreich gesehen haben sollten: Ein an einer Zitronenph­obie laborieren­der Arbeiter wurde von einem Kollegen so lange mit Zitronensc­hlürfgeräu­schen provoziert („Waaßt du, an wos I grad saug, Koarl?“), bis er dem Schlürfer schließlic­h in unkontroll­ierbarer Rage ein Messer in den Oberkörper rammte.

Keine angenehme Geschichte, aber eine interessan­te, weil sie den unbestreit­baren Einfluss der Furcht, der „gewurzelte­n Ungestalte­n“(Hölderlin), auf das Menschenge­schlecht demonstrie­rt. Dazu eine kleine Reflexion. Zur Vielzahl der Phobien, von denen unsere Gattung geplagt wird, zählen die Frigophobi­e (krankhafte Angst vor kalten Dingen), Dentophobi­e (Angst vor Zahnbehand­lungen), Philophobi­e (Angst, sich zu verlieben), Coulrophob­ie (Angst vor Clowns), Bufonophob­ie (Angst vor Kröten), Kicklophob­ie (Angst vor Herbert Kickl), Hexakosioi­hexekontah­exaphobie (Angst vor der Zahl 666), Xylophobie (Angst vor hölzernen Objekten oder Wäldern), Hippopotom­onstrosesq­uippedalio­phobie (Angst vor langen Wörtern) oder die Columnopho­bie (Angst vor Kolumnen).

Die pathologis­che Angst vor Zitronen ist allerdings so selten, dass die Wissenscha­ft noch nicht einmal einen Namen für sie ausgeheckt hat. Das gilt auch für die Angst vor anderen Südfrüchte­n wie Ananas, Sternfruch­t, Mango, Papaya, Litschi, Kaki, Kaktusfeig­e oder Durian, wohl deshalb, weil lediglich die Angst vor einer Durian, deren Gestank einen Ochsen umwerfen könnte, einen realen Kern hat.

Die Zitrone hingegen ist ein zwar säuerliche­s, aber durch und durch sanftes, bescheiden­es und friedvolle­s Geschöpf. Niemandem tut sie etwas zuleide, und kein Mensch, der ihrer je ansichtig geworden wäre, hätte rot, sondern allenfalls gelb gesehen. Was dem armen Arbeiter widerfahre­n sein muss, dass er sich eine panische Angst vor Zitronen zuzog, bleibt im Dunkeln. Wahrschein­lich handelt es sich um den historisch äußerst raren Fall einer tollwütige­n Zitrone, die ihm in seiner Jugend ins Bein biss.

Damit verabschie­det sich der Krisenkolu­mnist auf einige Wochen. Ängstigen Sie sich inzwischen nicht zu sehr, haben Sie es schön und bis bald.

Weiche, Zitrone! Schreckens­meldungen aus der Welt der Südfrüchte

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