Der Standard

Picassos letzte Leidenscha­ft

Ab den 1940er-Jahren schuf Picasso Keramiken, die sich bis heute großer Beliebthei­t erfreuen

-

Vallauris, Juli 1946: Pablo Picasso weilte gemeinsam mit Freunden in dem kleinen Ort unweit der Côte d’Azur, der seit Jahrhunder­ten für seine Keramikpro­duktion bekannt ist. Der Besuch einer Ausstellun­g der örtlichen Töpfergeno­ssenschaft mag auch für den damals 64-Jährigen zum obligaten Programm gehört haben. Der Überliefer­ung nach soll es eine Liebe auf den ersten Blick gewesen sein. Bereits am nächsten Tag startete er in der Werkstatt von Suzanne und Georges Ramié erste Versuche und begann eine Leidenscha­ft, die bis an sein Lebensende 1973 währen sollte. Sowohl künstleris­ch als auch privat: Jacqueline Roque, die Verkäuferi­n der Madoura-Töpferei, wird seine letzte Lebensgefä­hrtin.

Picasso erwirbt die Villa La Galloise an der Côte und widmet sich in den folgenden vier Jahren na- hezu ausschließ­lich der Töpferkuns­t. Bis zu seinem Tod entstehen – parallel zu seinen Gemälden, Zeichnunge­n, Grafiken und Skulpturen – rund 4000 Keramiken. Dazu 600 Vasen, Schalen und Teller, die als Vorlage für Editio- nen dienten. Je nach Modell umfasste die Auflage jeweils zwischen 25 und 500 Exemplaren, die von lokalen Kunsthandw­erkern bemalt wurden. Laut Alain Ramié, Sohn der einstigen Werkstattb­etreiber und Autor des Werkverzei­chnisses für Madoura-Keramik, habe dem Maestro die Idee gefallen, dass sich auf diese Weise quasi jeder, der wollte, „einen echten Picasso“leisten konnte. Denn einst waren sie sehr erschwingl­ich, und verglichen mit jenen Preisen, die für Gemälde Picassos berappt werden müssen, sind sie das im Falle der größeren Editionen teils auch noch heute.

Aus dem Besitz der Enkelin

Nicht so bei den Modellen mit kleineren Auflagen: 2013 erzielte eine Terrakotta-Vase von 1950 (Auflage 25 Stück) bei Christie’s in London umgerechne­t 1,15 Millionen Euro. Zuletzt gelangte via So- theby’s eine Vielzahl solcher Objekte aus dem Besitz von Enkeltocht­er Marina Picasso in mehreren Auktionen auf den Markt. Vergangene Woche wechselte dort etwa das Unikat einer Vase für umgerechne­t 226.000 Euro den Besitzer.

Gemessen daran fallen die kommende Woche bei Villa Grisebach (2. 6.) über einen Sonderkata­log offerierte­n 36 und die sechs beim Dorotheum in der Sektion Klassische Moderne integriert­en Keramiken punkto Schätzwert (noch) in die Kategorie Schnäppche­n. Die Berliner Fraktion deckt einen Entstehung­szeitraum von 1947 bis 1969 ab, wobei eine ovale, mit Fischen bemalte Platte (5000–7000 Euro) aus einer 200er-Edition zu den frühesten Objekten zählt. In Wien fokussiert man auf Modelle nach 1950, darunter eine Eulenvase (6000–8000 Euro) von 1951 (Auflage 300 Stück). (kron)

 ??  ??
 ?? Foto: Dorotheum ?? 1951 kreierte Picasso diese Eulenvase (Edition von 300).
Foto: Dorotheum 1951 kreierte Picasso diese Eulenvase (Edition von 300).

Newspapers in German

Newspapers from Austria